Sonntag, 10. Juli 2016

Paracetamol: Mit dem Schmerz schwindet auch die Empathie


Paracetamol lässt Schmerzen verschwinden -
und das Einfühlungsvermögen

(Foto: Tabeajaichhalt - pixabay.com)
Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Paracetamol lassen nicht nur die Schmerzen verschwinden, sondern auch das Einfühlungsvermögen.




Die beliebtesten Schmerzmittel, die freiverkäuflich zu bekommen sind, enthalten vielfach den Wirkstoff Paracetamol. Dieser Wirkstoff gilt als sicher, mit wenig unerwünschten Nebenwirkungen. Er senkt das Fieber und lindert zuverlässig Kopf-, Zahn- und Gliederschmerzen. Doch nicht nur der Schmerz verschwindet, sondern auch die Empathie, das Einfühlungsvermögen für körperliches und seelisches Leid von anderen. Diese psychische Nebenwirkung des Schmerzwirkstoffs entdeckte die Universität Ohio und veröffentlichte die Ergebnisse im Fachjournal »SocialCognitive and Affective Neuroscience«.



Psychische und physische Schmerzen durch Paracetamol gedämpft

Für die aktuelle Studie erhielten 40 Studenten einen Trunk mit 1.000 Milligramm Paracetamol sowie eine zweite Gruppe von 40 Studenten einen Placebo-Trunk ohne Wirkstoff. Nach einer Stunde lasen beide Gruppen acht kurze Geschichten über seelische oder körperliche Schmerzen. Eine der Geschichten handelte zum Beispiel von jemandem, der seinen Vater verlor. In einer anderen Geschichte ging es darum, dass jemand so tief mit einem Messer verletzt wurde, dass der Knochen zu sehen war. Danach mussten die Teilnehmer einschätzen, wie viel Schmerz die Personen in den Geschichten empfanden. Die Studenten, die Paracetamol eingenommen hatten, schätzten den Schmerz der beschriebenen Figuren viel geringer ein als die Teilnehmer, die das Placebo bekommen hatten.



Soziale Ausgrenzung

Bei einem anderen Experiment lernten 114 Teilnehmer sich erst kurz zuvor kennen. Danach schaute jeder alleine ein Online-Spiel, in dem drei der gerade kennengelernten Personen vorkam. Zwei der Personen im Spiel schlossen die dritte Person von einer Aktivität aus. Nach dem Spiel sollten die Zuschauer angeben, wie viel Schmerz und Trauer die abgelehnte Person im Spiel empfand. Wiederum schätzten die Teilnehmer, die kein Paracetamol eingenommen hatten, den Schmerz und die Trauer der Personen im Spiel geringer ein. »Dieses Mal sollten sich die Teilnehmer in jemanden einfühlen, der eine schmerzliche soziale Erfahrung durchlebte und erneut machten sich die Paracetamol-Anwender weniger Sorgen über die Gefühle der abgewiesenen Personen«, sagen die Wissenschaftler.



Weniger Mitgefühl bei Partner-Konflikten

Psychologie-Professor Baldwin Way, der an der Studie mitwirkte, nennt die Ergebnisse beunruhigend. »Empathie ist wichtig. Wenn Sie mit Ihrem Partner streiten und Sie haben Paracetamol eingenommen, haben Sie möglicherweise weniger Verständnis für den Schmerz, den Sie dem Partner zugefügt haben.« Eine frühere Studie hatte bereits gezeigt, dass Paracetamol auch positive Gefühle wie Freude abschwächt.



Schmerz und Empathie in derselben Hirnregion

Die genaue Ursache dafür, dass Paracetamol Menschen weniger mitfühlend macht, kennen die Wissenschaftler noch nicht. Aber es überrascht sie auch nicht. Schon 2004 ging aus einer Studie hervor, dass Schmerz und Empathie in derselben Hirnregion sitzen. »Darum ist es nicht unlogisch, dass das Schmerzmittel, das für die Linderung des Schmerzes sorgt, auch dafür sorgt, dass man weniger Empathie empfindet«, erklärt Way. Die Wissenschaftler wollen nun erforschen, ob auch andere schmerzstillende Wirkstoffe wie Ibuprofen das Einfühlungsvermögen beeinflussen.

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