Zu
den selteneren Krebsarten gehört der Bauchspeicheldrüsenkrebs. Doch
oft wird er viel zu spät entdeckt und ist schwierig zu behandeln.
Das Gift des Knollenblätterpilzes zeigte in Studien gute
Wirksamkeit.
Bauchspeicheldrüsenkrebs:
eine tückische Tumorerkrankung mit prominenten Opfern. Der frühere
Apple-Chef Steve Jobs, Dirty-Dancing-Star Patrick Swayze und Jon
Lord, Keyboarder der legendären Hardrockgruppe Deep Purple. Sie alle
starben an den Folgen dieser Krebserkrankung. Jährlich wird in
Deutschland bei etwa 12.000 Menschen Bauchspeicheldrüsenkrebs
(Pankreaskarzinom) diagnostiziert.
In
Zukunft könnte ein natürliches Mittel im Kampf gegen die
Krebszellen helfen. Das Gift des Knollenblätterpilzes wirkte bei
Mäusen außerordentlich gut.
Amanitin
- im Normalfall unbedingt tödlich
Pilzliebhaber
erblassen schon alleine beim Gedanken an einen folgenschweren Irrtum:
Der Knollenblätterpilz, leicht mit dem harmlosen und schmackhaften
Champignon zu verwechseln, besitzt eines der stärksten Gifte im
Pflanzenreich. Das α-Amanitin ist für alle Zellarten absolut
tödlich, gleichgültig ob krank oder gesund.
Wissenschaftler
im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg entwickelten eine
Methode, um mit dem gefährlichen Pilzgift Tumorzellen zu vernichten,
ohne gesunde Zellen zu belasten. Durch ihre geschickte Vorgehensweise
gelang es den Forschern, das Gift gezielt in den Tumor zu schleusen,
so dass es auf dem Weg dahin keinerlei zerstörende Wirkung
offenbaren konnte. Helfer war ein Antikörper, der das krebstypische
Zelloberflächenprotein EpCAM erkennt und daran andockt. Das Pilzgift
Amanitin war chemisch stabil an den Antikörper gebunden.
EpCAM
ist ein charakteristisches Membranprotein von Epithelzellen.
Epithelzellen umhüllen alle inneren und äußeren Körperoberflächen
und die Mehrzahl der Krebstumore entwickelt sich aus dieser Zellart.
Viele Tumorarten wie Brust-, Eierstock-, Gallengang- und
Bauchspeicheldrüsenkrebs sowie Kopf- und Halstumoren stellen zu viel
des Proteins EpCAM her. Speziell in diesen Fällen sind die Prognosen
für die Erkrankung ausgesprochen schlecht. EpCAM gilt deshalb als
passende Zielstruktur, um Krebszellen anzugreifen. Forscher haben
EpCAM schon mit ungekoppelten Antikörpern behandelt, in der
Hoffnung, dass die Tumorzellen danach vom Immunsystem identifiziert
und zerstört werden. In klinischen Versuchen an
Brustkrebspatientinnen zeigte sich diese Methode leider als
unwirksam. Die Mediziner glauben jedoch an das Potenzial des
Amanitin-gekoppelten Antikörpers.
Amanitin
hielt Krebstumore auf
In
Zellkulturen blockierte der mit Amanitin bestückte Antikörper die
Ausbreitung von Darm-, Brust-, Gallengang- und
Bauchspeicheldrüsenkrebszellen. Bei Mäusen, denen die Forscher
menschliche Bauchspeicheldrüsentumore eingepflanzt hatten, genügte
eine Behandlung mit dem giftbeladenen Antikörper, um den Krebs zu
stoppen. Nach einer zweiten Injektion mit dem Amanitin-Antikörper in
höherer Dosierung verschwand bei 90 Prozent der Versuchstiere die
Krebsgeschwulst komplett. Die höhere Dosierung wurde von den Mäusen
gut vertragen und verursachte keine Leber- oder andere Organschäden
aufgrund des Pilzgiftes. Das Pilzgift Amanitin eignet sich besonders
gut für diese Art von Behandlung, denn die Giftmoleküle sind so
klein, dass sie vom Immunsystem nicht als fremd erkannt werden.
Dennoch sind sie so stabil, dass sie eine haltbare chemische
Verbindung eingehen. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass es
eine Dosierung gibt, die Krebszellen eliminiert, aber gesundes Gewebe
unverändert lässt.
Bauchspeicheldrüsenkrebs
- die stille Gefahr
Bauchspeicheldrüsenkrebs
ist nach Darm- und Magenkrebs der dritthäufigste Krebstumor der
Verdauungsorgane. Auf der Rangliste der tumorbedingten Todesursachen
belegt er Platz vier. Männer und Ältere ab 60 erkranken öfter als
Frauen.
Bauchspeicheldrüsenkrebs
bricht in 95 Prozent aller Fälle im exokrinen Teil der
Bauchspeicheldrüse aus. In diesem Teil des Organs werden die
Verdauungsenzyme produziert. Nur in fünf Prozent der Fälle entsteht
der Krebs im endokrinen Teil des Pankreas, wo Insulin und andere
Hormone produziert werden.
Diagnose
oft zu spät
Auch
wenn Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht so häufig auftritt, ist er umso
gefährlicher. Pankreaskarzinome tendieren zur Metastasenbildung und
weil die Erkrankung oft erst spät festgestellt wird, haben sich dann
oftmals schon Metastasen in Leber, Lunge und Knochen eingenistet.
Wissenschaftler
New Yorker Universität stellten fest, dass die Krebszellen bei
Tumoren der Bauchspeicheldrüse das menschliche Immunsystem
unterdrücken können. Das macht sie hochgefährlich, denn solange
der Körper die Krebszellen nicht als Feind erkennt und attackiert,
kann der Tumor störungsfrei wachsen. Die Studienergebnisse sind im
Fachmagazin »Cancer Cell« (DOI:10.1016/j.ccr.2012.04.024)
nachzulesen.
Beschwerden
werden spät bemerkt
Tumore,
die im Bauch ausreichen Raum zum Wachsen haben, verursachen erst im
weit fortgeschrittenen Stadium Beschwerden. Der größte Teil der
Patienten verliert unfreiwillig Gewicht, klagt über Bauch- und
Rückenschmerzen, Appetitverlust und Übelkeit. Doch solche
untypischen Symptome zeigen auch Magen-Darm-Erkrankungen. Hat sich
ein Tumor im vorderen Teil der Bauchspeicheldrüse gebildet und
blockiert den Gallengang, kann es zu einer Gelbsucht kommen.
Exakte
Ursachen für diese Krebsart sind bis jetzt nicht bekannt. Fest
steht, dass Nikotin und Alkohol das Risiko erhöhen. Dies gilt auch
für eine genetische Disposition, wenn beispielsweise
Bauchspeicheldrüsenkrebs schon bei nahen Verwandten aufgetreten ist.
Fünf bis zehn Prozent der Pankreaskarzinome treten aufgrund
familiärer Veranlagung auf. Vermehrt tritt diese Tumorart auch bei
Diabetikern oder Patienten mit chronischer
Bauchspeicheldrüsenentzündung auf. Leider gibt es für diese
Risikogruppen noch keine speziellen Vorsorgeuntersuchungen. Bei den
beschriebenen Beschwerden sollte man also eine medizinische
Untersuchung nicht lange hinausschieben. Je früher ein eindeutiger
Befund vorliegt, desto größer die Chance auf Heilung.
Quelle:
Gerhard Moldenhauer, Alexei V. Salnikov, Sandra Lüttgau, Ingrid
Herr, Jan Anderl und Heinz Faulstich: Therapeutic Potential of
Amanitin-Conjugated Anti-Epithelial Cell Adhesion Molecule Monoclonal
Antibody Against Pancreatic Carcinoma. JNCI Journal of the National
Cancer Institute 2012; DOI:10.1093/jnci/djs140
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