Untersuchen das Gift mariner Kegelschnecken:
Dr. Alesia A. Tietze (links) und Prof. Dr. Diana Imhof mit den Häusern der Meereslebewesen.
(Foto: Volker Lannert/Uni Bonn) |
Schmerzen:
Jeder kennt sie und niemand will sie haben. Schmerzen sind so
vielfältig wie ihre Ursachen. Und manchmal bleibt die Ursache für
den Schmerz sogar völlig ungeklärt. Die natürliche Substanz einer
Schneckenart könnte in Zukunft vielen Schmerzpatienten helfen.
Die
marine Kegelschnecke produziert ein Nervengift, ein sogenanntes
Conotoxin, das zukünftig den Schmerz hemmen soll. Einzelne
Bestandteile des Giftes können in kleinsten Dosierungen die
Signalübertragung zwischen den Nervenzellen blockieren.
Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Jena, der TU Darmstadt
sowie des Leibniz-Instituts für Altersforschung in Jena konnten nun
die Struktur und Wirkung des Kegelschneckentoxins µ-PIIIA ermitteln.
Die
Beute wird vergiftet
Die
Kegelschnecke kommt in etwa 500 verschiedenen Arten in allen Meeren
der Welt vor. Normalerweise sitzt sie im Schlamm verborgen und wartet
auf Beute. Nur ihre wurmähnliche Atemröhre ragt aus dem Schlamm
hervor und lockt mit ihren Bewegungen Fische an. Doch bevor der Fisch
sein vermeintliches Futter näher untersuchen kann, feuert die
Kegelschnecke blitzschnell eine Giftharpune auf ihr Opfer ab. Das
lähmt den Fisch und die Schnecke kann die Beute leicht fressen. Der
Verdauungsprozess dauert allerdings zwei ganze Wochen. Doch so viel
Zeit benötigt die Schnecke auch, um ihre Waffe, die Giftharpune,
wieder aufzutanken. Dieses überaus praktische Jagdgerät hat sich
aus einem Zahn auf ihrer raspelartigen Zunge entwickelt.
Besonders
interessant für das Forscherteam ist, dass die Nervengifte der
Schnecken in kleinsten Mengen wirken und die Reizweiterleitung sehr
gezielt unterbrechen. Damit lassen sich Schmerzsignale gut
blockieren. Die Toxine könnten dadurch gerade für Krebspatienten im
Endstadium ihrer Erkrankung oder für chronische Schmerzpatienten,
bei denen alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, ein
Hoffnungsschimmer sein. Denn Vorteil dieser natürlichen Giftstoffe
ist, dass sie nicht abhängig machen. Doch die Wissenschaftler haben
noch ein Problem mit der Stabilität des Wirkstoffs. Das von den
Forschern untersuchte Peptid, ein Spaltprodukt beim Eiweißabbau,
wird vom menschlichen Organismus schnell abgebaut. Um eine längere
Wirksamkeit zu erreichen, sind stabilere Formen der Substanz nötig.
Chemische
Herstellung im Labor
Die
Wissenschaftler interessieren sich für ein ganz bestimmtes Gift für
weitere Untersuchungen, das Conotoxin µ-PIIIA. Die Schnecken
produzieren nur kleinste Mengen dieses Toxins. Für die
Wirkstoffuntersuchung gelang es den Forschern jedoch, mehr von dieser
Substanz chemisch im Labor herzustellen. So konnten sie die Struktur
verschiedener Varianten sowie ihre unterschiedlichen Wirkweisen
untersuchen. Das Gift besteht aus einer Verkettung verschiedener
Aminosäuren, die sich unterschiedlich zusammenknäueln. Und diese
verschiedenartigen Knäuel haben unterschiedliche biologische
Wirkungen. Doch noch müssen die Grundlagen erforscht werden. Von
einem anwendbaren Schmerzmittel sind die Wissenschaftler noch Jahre
entfernt.
Doch
schon 2006 untersuchten Forscher an der »University of Utah« in
Salt Lake City das Gift der Kegelschnecken, um chronische
Nervenschmerzen zu behandeln. Sie erprobten das Gift in geringer
Konzentration an Ratten und konnten bei den Tieren die Schmerzen
lindern oder sogar ganz ausschalten. Nebenwirkungen traten dabei
nicht auf. Chronische Nervenschmerzen, weit verbreitet und stark
belastend für die Betroffenen, sind bislang schwierig zu behandeln.
Ursachen sind unter anderem Verletzungen, Tumorerkrankungen oder auch
Diabetes mellitus. Ob die Schneckengifte eines Tages tatsächlich als
Schmerzmittel praktikabel sind, auch in Kombination mit anderen
Arzneimitteln, muss sich in weiteren Studien zeigen.
Quelle: Alesia A. Tietze, Dr. Daniel Tietze, Dr. Oliver Ohlenschläger, Dr. Enrico Leipold, Florian Ullrich, Toni Kühl, André Mischo, Prof. Dr. Gerd Buntkowsky, Dr. Matthias Görlach, Prof. Dr. Stefan H. Heinemann and Prof. Dr. Diana Imhof: Structurally Diverse μ-Conotoxin PIIIA Isomers Block Sodium Channel NaV1.4. Angew Chem Int Ed Engl. 2012 Apr 23;51(17):4058-61. doi: 10.1002/anie.201107011
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