Schneckengift als Diabetesmittel der Zukunft? (Foto: Dmitry Lobanov - Fotolia.com) |
Im
Gift der marinen Kegelschnecke haben Forscher eine Substanz gefunden,
die möglicherweise zur Behandlung von Diabetes Typ 2 eingesetzt
werden kann. Im Gegensatz zu herkömmlichen Antidiabetika sollen
hierbei keine Unterzuckerungen auftreten.
Die
Conius striatus,
eine bestimmte Art der marinen Kegelschnecke, lebt im Schlamm des
Meeresbodens und lauert auf Beute. Sie produziert einen Giftcocktail,
den sie kleinen Fischen mit einem Rüssel injiziert.
Es
ist schon länger bekannt, dass die Einzelsubstanzen des Giftes - die
Conopeptide - wie Arzneimittel wirken. Das Conopeptid Ziconotid
(Handelsname Prialt®) der Kegelschneckenart Conus
magus aus
dem Südpazifik wird bereits als Schmerzmittel bei starken
chronischen Schmerzen eingesetzt, bei denen andere Mittel versagen.
Die Conopeptide wirken sehr gezielt und die Weiterleitung der
Schmerzsignale im Rückenmark wird gut blockiert. Weiterhin macht
diese natürliche Substanz nicht abhängig, wie das bei Opiaten
beispielsweise vorkommt. Ziconotid ist das erste Medikament, das aus
einem Meeresorganismus stammt.
Einfluss
auf die Insulinproduktion
Eine
Forschergruppe der Universitäten Lübeck, Göttingen und Kiel
untersuchte jetzt zusammen mit amerikanischen und kanadischen
Wissenschaftlern das Gift der Kegelschneckenart Conius
striatus.
Die Studie ergab, dass das Conopeptid Conkunitin-S1 die Abgabe von
Insulin in der Bauchspeicheldrüse beeinflussen kann. Die
Studienergebnisse wurden erst vor Kurzem im Wissenschaftsmagazin EMBO
Molecular Medicine
veröffentlicht.
Professor
Heinrich Terlau vom Physiologischen Institut der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und außerordentliches
Mitglied im Exzellencluster »Ozean der Zukunft« hofft, dass die
neue Substanz eine weitere Alternative zur Therapie von Diabetes Typ
2 sein kann.
Herkömmliche
Antidiabetika wirken teilweise unabhängig vom Blutzuckergehalt. Das
kann zu Hypoglykämien, also Unterzuckerungen, führen. Die neue
Substanz der Kegelschnecke, das Conopeptid Conkunitzin-S1, wirkt sehr
spezifisch und senkt das Risiko auf Unterzuckerung. Es bindet sich
spezifisch an einen bestimmten Kaliumkanal in den Zellen der
Bauchspeicheldrüse und löst kurzzeitig eine vermehrte Abgabe von
Insulin aus, aber nur dann, wenn der Blutzuckergehalt tatsächlich
erhöht ist.
Bei
versuchsweise durchgeführten oralen Glukose-Toleranz-Tests an Ratten
haben die Wissenschaftler gezeigt, dass die Gabe von Conkunitzin-S1
zu keiner Unterzuckerung führt. Die typischen Nebenwirkungen der
konventionellen Medikamente traten nicht auf. Aktuell arbeiten die
Forscher daran, das Mittel als orales Medikament verfügbar zu
machen.
Hypoglykämie
- wenn der Blutzucker zu niedrig ist
Unterzuckerung
entsteht, wenn mehr Insulin im Körper vorhanden ist, als benötigt
wird. Sinkt der Blutzuckerspiegel unter einen Wert von 80 mg/dl (4,4
mmol/l), wird es für Diabetiker zunehmend gefährlich.
Es
treten Warnzeichen wie Blässe, Zittern, Schwäche, Schwindel,
Herzrasen und Schweißausbrüche auf. Der Körper befindet sich im
Alarmzustand. Bemerkt der Diabetiker die Symptome rechtzeitig, kann
er sich in diesem Zustand noch selbst behandeln durch Einnahme von
Traubenzucker oder zuckerhaltigen Getränken, die schnell vom Körper
aufgenommen werden.
Sinkt
der Blutzuckerspiegel weiter ab, wird der Betroffene bewusstlos und
fällt ohne medizinische Hilfe ins Koma (hypoglykämischer Schock).
Hypoglykämien
treten sowohl bei Diabetikern Typ 1 auf, die mit Insulin behandelt
werden, als auch bei Diabetikern Typ 2, wenn sie beispielsweise
Sulfonylharnstofftabletten einnehmen.
Unterzuckerungen
sollten bei der Behandlung von Diabetes so weit wie möglich
vermieden werden, denn mit zunehmender Diabetesdauer treten die
Symptome für Unterzuckerung immer später auf und werden immer
später wahrgenommen. Dadurch erhöht sich das Risiko auf schwere
Unterzuckerungen, bei denen der Diabetiker auf fremde Hilfe
angewiesen ist.
Quelle:
Finol-Urdaneta, R.K., Remedi, M.S., Raasch, W., Becker, S., Clark,
R.B., Strüver, N., Pavlov, E., Nichols, C.G., French, R.J., and
Terlau, H.: Block of Kv1.7 currents increases glucose-stimulated
insulin secretion.
EMBO
Molecular Medicine, May 2012, Volume 4, Issue 5
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