Freitag, 19. September 2014

Übergewicht verursacht gefährliche Entzündungen


Forscher fanden eine molekulare Erklärung, warum Übergewicht so schädlich ist. Das könnte für neue Medikamente zum Beispiel bei Herzinfarkt sorgen.

Forscher haben auf molekularer Ebene möglicherweise eine Erklärung gefunden, warum Übergewicht so schädlich für den Körper ist. Die neuen Erkenntnisse sind vielleicht die Basis für neue Medikamente gegen Herzinfarkt, Schlaganfall und chronische Darmentzündungen.
»Wir glauben, dass es eine Verbindung gibt zwischen Stoffwechsel, Entzündungen, Herzinfarkt und Schlaganfall«, sagt Bente Halvorsen, Professorin am Forschungsinstitut für innere Medizin an der Universität von Oslo. Zusammen mit dem Leiter der Forschungsgruppe, Pål Aukrust, der letztes Jahr den Forschungspreis für seine Arbeit über entzündliche Erkrankungen erhielt und Arne Yndestad, untersuchte sie ausführlich die molekulare Erklärung, warum Übergewicht so schädlich ist. »Mit diesem Wissen können wir besser verstehen, warum Nahrung so schwerwiegende Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs und Darmentzündungen verursacht.«

Wir essen zu viel

Unterernährung oder Fehlernährung reduziert die Reaktion des Immunsystems und das erhöht das Risiko für Infektionen. Funktioniert das Immunsystem normal, versucht der Körper sich durch Entzündungen von Infektionen zu befreien. Ist das Immunsystem geschädigt, kann der Körper sich nicht durch Entzündungsreaktionen verteidigen.
Übermäßiges Essen erhöht die Reaktion des Immunsystems. Diese erhöhte Immunantwort lässt den Körper mit übermäßigen Entzündungen reagieren, was zu einer Reihe von Krankheiten führen kann. »Daher ist es wichtig, eine Balance zu finden. Zu wenig und zu viel Nahrung können beide das Immunsystem durcheinanderbringen und erhöhen das Krankheitsrisiko.«

Chronische und akute Entzündungen

Eine Reihe von Erkrankungen werden durch Entzündungen verursacht. Rheuma ist eine chronisch entzündliche Erkrankung. Herzinfarkt ist ein Beispiel für eine Krankheit, die eine akute und schwere Entzündungsreaktion hervorruft.
»Wir können durch Gewichtsverlust eine Entzündungsreaktion reduzieren. Einige Menschen riskieren, die Entzündungen nie los zu werden. Wir haben versucht zu verstehen, was nötig ist, um Entzündungsreaktionen zu bremsen, ohne Gewicht verlieren zu müssen«, erklärt Halvorsen.

Energie speichern verursacht Entzündung

Unglücklicherweise verursacht die Speicherung von Energie eine Entzündungsreaktion. Die Erklärung liegt in der engen Verbindung zwischen dem Immunsystem des Körpers, der Umwandlung von Energie und der Art, wie wir Energie speichern. Das kann alles durch die Evolution erklärt werden. Vor hundert Millionen Jahren war dies in unseren Vorfahren alles in einem Organ konzentriert, wie in der modernen Fruchtfliege. Und obwohl im Menschen diese Aufgabe auf drei unterschiedliche Organe verteilt ist - das Fettgewebe speichert Energie, die Leber wandelt Energie um und das Immunsystem - kommunizieren diese Organe noch immer sehr eng miteinander.

Um auf die Evolution zurückzukommen, Menschen sind nicht dafür geschaffen, um so viel zu essen; sie sollen sich eigentlich ihre Nahrung erarbeiten. »Die größte Herausforderung der Menschheit hat darin bestanden, genügend Nahrung zu erhalten und Infektionen zu überleben. Heutzutage sterben wir nur noch selten an Infektionen, aber andererseits essen wir zu viel«, sagt Arne Yndestad.

Schäden an den Kraftwerken in der Zelle

Die Forscher glauben, dass übermäßiges Essen in den Mitochondrien Stress verursacht. Mitochondrien sind die Kraftwerke jeder Zelle und wandeln Fettsäuren in Energie um. Evolutionsbiologen denken, dass Mitochondrien Bakterien waren, die während der evolutionären Entwicklung ein integrierter Teil der Zellen wurden. Das Immunsystem könnte diese Mitochondrien dennoch als Fremdkörper wahrnehmen. Deshalb konzentrieren sich viele Forschungen auf die Mitochondrien.

Wenn Fettsäuren sich in den Zellen anhäufen, werden die Mitochondrien gestresst und nach und nach auch geschädigt. »Wenn die Zellen übermäßig Energie erhalten, beginnt das System zu wanken und der Motor kann zum Stillstand kommen. Zu viel Fettsäuren verursachen oxidativen Stress in den Zellen. Wir glauben, dass langandauernder Stress in den Mitochondrien eine Metaflammation verursacht. Eine Metaflammation ist eine leichte chronische Entzündung über viele Jahre hinweg und leider ist dies eine Erkrankung, die schwierig zu entdecken ist«, sagt Yndestad.

Zellreparatur wird behindert

Der Körper hat sein eigenes Abwehrsystem, die Autophagie (auto=selbst und Phagein=fressen) oder Autophagozytose. Bei diesem Prozess sollen eigentlich die beschädigten Mitochondrien beseitigt werden. Wenn wir zu viel essen, sammeln sich Fettsäuren in den Zellen an. Das stresst die Mitochondrien. Der Stress in den Zellen behindert den Mechanismus, der die beschädigten Mitochondrien entfernen soll. Wenn sich geschädigte Mitochondrien anhäufen, wird das Immunsystem aktiviert. Diese Immunreaktion ist genau das, was die Entzündung hervorruft.

Schlüsselmoleküle gefunden

Die Forscher haben einige der Signalmoleküle in den Zellen untersucht, die die Entzündungsreaktion auslösen. Mit anderen Worten, sie fanden ein Element der Energieumwandlung, das erklären könnte, was passiert, wenn die Mitochondrien die Fettsäuren verarbeiten. Dieses spezielle Element, das auch ein Enzym ist, wurde kürzlich bei Schlaganfallpatienten untersucht.
»Wir glauben, dass dieses Enzym durch Überernährung reguliert werden kann und das dieses Enzym ein Schlüsselbestandteil der Entzündungsreaktion ist. Wir haben festgestellt, dass der Plaque in den Arterien von Patienten mit Arteriosklerose viel von diesem Enzym enthält. Wenn dieser Plaque reißt, kann der Patient einen Schlaganfall erleiden«, macht Halvorsen deutlich. In Studien mit Mäusen haben die Wissenschaftler getestet, was passiert, wenn die Menge dieses speziellen Enzyms erhöht wird. Es verbesserte den Grad der Arteriosklerose.

Ausbau der Theorie

Die Theorie der Wissenschaftler wurde erhärtet, als sie untersuchten, welche Wirkung das Fehlen von Inflammasomen auf die Herzfunktion hat. Inflammasome sind ein Teil der intra-zellulären Abwehr. Sie sollen Gefahrensignale erkennen und werden nur bei Bedarf im Körper gebildet. »Wenn die Zellen übermäßige Mengen an Fettsäuren erhalten, werden die Inflammasome aktiviert und erzeugen eine Entzündungsreaktion.« Mäuse mit Herzinfarkten funktionierten besser, wenn die Inflammasomen entfernt wurden. »Es hat also etwas mit der Wiederherstellung der Balance in der Immunabwehr zu tun«, sagt Yndestad.

Wechselbeziehung mit Krebs

Die Forscher nehmen an, dass ihre neue Entdeckung auch ein Schlüsselmechanismus bei der Entstehung von Krebs sein könnte. »Krebszellen brauchen eine Menge Energie, um sich zu teilen. Der zelluläre Stress könnte Zellen in Krebszellen umwandeln. Studien zu Übergewicht können uns deshalb auch ein besseres Verständnis für Krebs liefern«, erklärt Halvorsen. Jemand der an diesen Forschungen besonderes Interesse hat, ist Professorin Kristin Austlid Taskén am Institut für Krebsforschung.
»Menschen mit Übergewicht entwickeln häufiger eine aggressive Form von Prostata-Krebs. Obwohl die Verbindung zwischen Übergewicht und Krebs gut bekannt ist, weiß man dennoch wenig über die zugrundeliegenden Mechanismen«, sagt Taskén. Ihr Fachgebiet ist Prostata-Krebs, eine Krankheit die jährlich 5.000 Norweger betrifft.

Prostata-Krebs ist die häufigste Krebsart

»Weil es die häufigste Krebsart bei Männern ist, ist es besonders wichtig, mehr Wissen zu erhalten über die Art und Weise wie Übergewicht den Stoffwechsel von Krebszellen beeinflusst und zu aggressivem Prostata-Krebs führt. Damit die Krebszellen fähig sind sich schnell zu teilen, benutzen sie neue Stoffwechselwege, die uns bis jetzt ziemlich unbekannt sind. Es ist daher nützlich, mehr darüber zu wissen, was uns hilft neue Medikamente zu finden, die die Krebszellen abtöten«, weist Taskén auf das Forschungsmagazin Apollon hin.

Quelle: University of Oslo, Research Magazine »Apollon«, by Yngve Vogt: Overweight causes hazardous inflammations. 25.08.2014

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