Forscher
fanden eine molekulare Erklärung, warum Übergewicht so schädlich
ist. Das könnte für neue Medikamente zum Beispiel bei Herzinfarkt
sorgen.
Forscher
haben auf molekularer Ebene möglicherweise eine Erklärung gefunden,
warum Übergewicht so schädlich für den Körper ist. Die neuen
Erkenntnisse sind vielleicht die Basis für neue Medikamente gegen
Herzinfarkt, Schlaganfall und chronische Darmentzündungen.
»Wir
glauben, dass es eine Verbindung gibt zwischen Stoffwechsel,
Entzündungen, Herzinfarkt und Schlaganfall«, sagt Bente Halvorsen,
Professorin am Forschungsinstitut für innere Medizin an der
Universität von Oslo. Zusammen mit dem Leiter der Forschungsgruppe,
Pål Aukrust, der letztes Jahr den Forschungspreis für seine Arbeit
über entzündliche Erkrankungen erhielt und Arne Yndestad,
untersuchte sie ausführlich die molekulare Erklärung, warum
Übergewicht so schädlich ist. »Mit diesem Wissen können wir
besser verstehen, warum Nahrung so schwerwiegende Krankheiten wie
Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs und Darmentzündungen verursacht.«
Wir
essen zu viel
Unterernährung
oder Fehlernährung reduziert die Reaktion des Immunsystems und das
erhöht das Risiko für Infektionen. Funktioniert das Immunsystem
normal, versucht der Körper sich durch Entzündungen von Infektionen
zu befreien. Ist das Immunsystem geschädigt, kann der Körper sich
nicht durch Entzündungsreaktionen verteidigen.
Übermäßiges
Essen erhöht die Reaktion des Immunsystems. Diese erhöhte
Immunantwort lässt den Körper mit übermäßigen Entzündungen
reagieren, was zu einer Reihe von Krankheiten führen kann. »Daher
ist es wichtig, eine Balance zu finden. Zu wenig und zu viel Nahrung
können beide das Immunsystem durcheinanderbringen und erhöhen das
Krankheitsrisiko.«
Chronische
und akute Entzündungen
Eine
Reihe von Erkrankungen werden durch Entzündungen verursacht. Rheuma
ist eine chronisch entzündliche Erkrankung. Herzinfarkt ist ein
Beispiel für eine Krankheit, die eine akute und schwere
Entzündungsreaktion hervorruft.
»Wir
können durch Gewichtsverlust eine Entzündungsreaktion reduzieren.
Einige Menschen riskieren, die Entzündungen nie los zu werden. Wir
haben versucht zu verstehen, was nötig ist, um Entzündungsreaktionen
zu bremsen, ohne Gewicht verlieren zu müssen«, erklärt Halvorsen.
Energie
speichern verursacht Entzündung
Unglücklicherweise
verursacht die Speicherung von Energie eine Entzündungsreaktion. Die
Erklärung liegt in der engen Verbindung zwischen dem Immunsystem des
Körpers, der Umwandlung von Energie und der Art, wie wir Energie
speichern. Das kann alles durch die Evolution erklärt werden. Vor
hundert Millionen Jahren war dies in unseren Vorfahren alles in einem
Organ konzentriert, wie in der modernen Fruchtfliege. Und obwohl im
Menschen diese Aufgabe auf drei unterschiedliche Organe verteilt ist
- das Fettgewebe speichert Energie, die Leber wandelt Energie um und
das Immunsystem - kommunizieren diese Organe noch immer sehr eng
miteinander.
Um
auf die Evolution zurückzukommen, Menschen sind nicht dafür
geschaffen, um so viel zu essen; sie sollen sich eigentlich ihre
Nahrung erarbeiten. »Die größte Herausforderung der Menschheit hat
darin bestanden, genügend Nahrung zu erhalten und Infektionen zu
überleben. Heutzutage sterben wir nur noch selten an Infektionen,
aber andererseits essen wir zu viel«, sagt Arne Yndestad.
Schäden
an den Kraftwerken in der Zelle
Die
Forscher glauben, dass übermäßiges Essen in den Mitochondrien
Stress verursacht. Mitochondrien sind die Kraftwerke jeder Zelle und
wandeln Fettsäuren in Energie um. Evolutionsbiologen denken, dass
Mitochondrien Bakterien waren, die während der evolutionären
Entwicklung ein integrierter Teil der Zellen wurden. Das Immunsystem
könnte diese Mitochondrien dennoch als Fremdkörper wahrnehmen.
Deshalb konzentrieren sich viele Forschungen auf die Mitochondrien.
Wenn
Fettsäuren sich in den Zellen anhäufen, werden die Mitochondrien
gestresst und nach und nach auch geschädigt. »Wenn die Zellen
übermäßig Energie erhalten, beginnt das System zu wanken und der
Motor kann zum Stillstand kommen. Zu viel Fettsäuren verursachen
oxidativen Stress in den Zellen. Wir glauben, dass langandauernder
Stress in den Mitochondrien eine Metaflammation verursacht. Eine
Metaflammation ist eine leichte chronische Entzündung über viele
Jahre hinweg und leider ist dies eine Erkrankung, die schwierig zu
entdecken ist«, sagt Yndestad.
Zellreparatur
wird behindert
Der
Körper hat sein eigenes Abwehrsystem, die Autophagie (auto=selbst
und Phagein=fressen) oder Autophagozytose. Bei diesem Prozess sollen
eigentlich die beschädigten Mitochondrien beseitigt werden. Wenn wir
zu viel essen, sammeln sich Fettsäuren in den Zellen an. Das stresst
die Mitochondrien. Der Stress in den Zellen behindert den
Mechanismus, der die beschädigten Mitochondrien entfernen soll. Wenn
sich geschädigte Mitochondrien anhäufen, wird das Immunsystem
aktiviert. Diese Immunreaktion ist genau das, was die Entzündung
hervorruft.
Schlüsselmoleküle
gefunden
Die
Forscher haben einige der Signalmoleküle in den Zellen untersucht,
die die Entzündungsreaktion auslösen. Mit anderen Worten, sie
fanden ein Element der Energieumwandlung, das erklären könnte, was
passiert, wenn die Mitochondrien die Fettsäuren verarbeiten. Dieses
spezielle Element, das auch ein Enzym ist, wurde kürzlich bei
Schlaganfallpatienten untersucht.
»Wir
glauben, dass dieses Enzym durch Überernährung reguliert werden
kann und das dieses Enzym ein Schlüsselbestandteil der
Entzündungsreaktion ist. Wir haben festgestellt, dass der Plaque in
den Arterien von Patienten mit Arteriosklerose viel von diesem Enzym
enthält. Wenn dieser Plaque reißt, kann der Patient einen
Schlaganfall erleiden«, macht Halvorsen deutlich. In Studien mit
Mäusen haben die Wissenschaftler getestet, was passiert, wenn die
Menge dieses speziellen Enzyms erhöht wird. Es verbesserte den Grad
der Arteriosklerose.
Ausbau
der Theorie
Die
Theorie der Wissenschaftler wurde erhärtet, als sie untersuchten,
welche Wirkung das Fehlen von Inflammasomen auf die Herzfunktion hat.
Inflammasome sind ein Teil der intra-zellulären Abwehr. Sie sollen
Gefahrensignale erkennen und werden nur bei Bedarf im Körper
gebildet. »Wenn die Zellen übermäßige Mengen an Fettsäuren
erhalten, werden die Inflammasome aktiviert und erzeugen eine
Entzündungsreaktion.« Mäuse mit Herzinfarkten funktionierten
besser, wenn die Inflammasomen entfernt wurden. »Es hat also etwas
mit der Wiederherstellung der Balance in der Immunabwehr zu tun«,
sagt Yndestad.
Wechselbeziehung
mit Krebs
Die
Forscher nehmen an, dass ihre neue Entdeckung auch ein
Schlüsselmechanismus bei der Entstehung von Krebs sein könnte.
»Krebszellen brauchen eine Menge Energie, um sich zu teilen. Der
zelluläre Stress könnte Zellen in Krebszellen umwandeln. Studien zu
Übergewicht können uns deshalb auch ein besseres Verständnis für
Krebs liefern«, erklärt Halvorsen. Jemand der an diesen Forschungen
besonderes Interesse hat, ist Professorin Kristin Austlid Taskén am
Institut für Krebsforschung.
»Menschen
mit Übergewicht entwickeln häufiger eine aggressive Form von
Prostata-Krebs. Obwohl die Verbindung zwischen Übergewicht und Krebs
gut bekannt ist, weiß man dennoch wenig über die zugrundeliegenden
Mechanismen«, sagt Taskén. Ihr Fachgebiet ist Prostata-Krebs, eine
Krankheit die jährlich 5.000 Norweger betrifft.
Prostata-Krebs
ist die häufigste Krebsart
»Weil
es die häufigste Krebsart bei Männern ist, ist es besonders
wichtig, mehr Wissen zu erhalten über die Art und Weise wie
Übergewicht den Stoffwechsel von Krebszellen beeinflusst und zu
aggressivem Prostata-Krebs führt. Damit die Krebszellen fähig sind
sich schnell zu teilen, benutzen sie neue Stoffwechselwege, die uns
bis jetzt ziemlich unbekannt sind. Es ist daher nützlich, mehr
darüber zu wissen, was uns hilft neue Medikamente zu finden, die die
Krebszellen abtöten«, weist Taskén auf das Forschungsmagazin
Apollon hin.
Quelle:
University of Oslo, Research Magazine »Apollon«,
by
Yngve Vogt: Overweight causes hazardous inflammations. 25.08.2014
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