Fettzellen haben eine wichtige Funktion bei der Immunabwehr (Foto: cocoparisienne - pixabay.ocm) |
Körperfett
und Fettzellen haben keinen guten Ruf. Doch Forscher stellten nun
fest, dass sie eine wichtige Funktion bei der Abwehr von
Krankheitskeimen haben.
Wenn
es zu Hautinfektionen kommt, könnte ein gesundes und robustes
Immunsystem sehr von dem abhängig sein, was sich darunter befindet.
In einem neuen Artikel im Fachblatt »Science« berichten Forscher
der Universität von Kalifornien in San Diego über eine
überraschende Entdeckung: Die Fettzellen unter der Haut schützen
uns vor Bakterien.
Fettzellen
produzieren Antibiotika
Der
Dermatologe Professor Richard Gallo und seine Kollegen entdeckten
eine bislang unbekannte Rolle bestimmter Fettzellen, sogenannter
Adipozyten. Sie produzieren antimikrobielle Peptide, die eindringende
Bakterien und krankmachende Keime bekämpfen.
»Es
wurde angenommen, dass wenn die Hautbarriere einmal durchbrochen
wurde, nur die zirkulierenden weißen Blutkörperchen, wie
neutrophile Granulozyten und Makrophagen (Fresszellen) uns vor einer
Blutvergiftung (Sepsis) schützen«, sagt Studienleiter Gallo. »Aber
es braucht eine gewisse Zeit, damit diese Zellen die Wundstelle
ansteuern. Wir zeigen nun, dass die Fettstammzellen verantwortlich
für unseren Schutz sind. Das war für uns völlig unerwartet. Es war
nicht bekannt, dass Adipozyten antibakterielle Substanzen produzieren
können, geschweige denn, dass sie fast genauso viel herstellen wie
ein neutrophiler Granulozyt.«
Fettzellen
schneller als weiße Blutkörperchen
Die
menschliche Immunabwehr gegen bakterielle Infektionen ist komplex,
vielstufig und bezieht zahlreiche Zelltypen mit ein, mit als
Höhepunkt die Ankunft von neutrophilen Granulozyten und Monozyten -
spezialisierte Zellen, die bestimmte Krankheitserreger buchstäblich
verschlingen. Doch bevor diese zirkulierenden weißen Blutkörperchen
am Ort des Geschehens auftauchen, benötigt der Körper eine
schnellere Abwehrreaktion, um das massenhafte Eindringen von
Mikroorganismen zu verhindern. Diese Arbeit wird normalerweise von
Epithelzellen, Mastzellen und Leukozyten durchgeführt, die sich in
der Nähe des Infektionsherdes aufhalten.
Fettzellen
bekämpfen Staphylococcus-Bakterien
Staphylococcus
aureus ist ein weit verbreitetes Bakterium und der Hauptgrund für
Haut- und Gewebsinfektionen beim Menschen. Die Entstehung von
antibiotikaresistenten Formen von Staphylococcus aureus ist ein
weltweit ernstzunehmendes Problem in der klinischen Medizin. Bei
früheren Untersuchungen im Labor von Professor Gallo beobachteten
die Forscher Staphylococcus aureus in der Fettschicht der Haut, daher
erforschten sie, ob das Unterhautfettgewebe eine Rolle spielt für
die Abwehr von Hautinfektionen.
Fettzellen
nehmen bei Infekten zu
Ling
Zhang, Hauptautorin der Studie, setzte Mäuse dem Bakterium
Staphylococcus aureus aus und entdeckte, dass innerhalb weniger
Stunden an der Infektionsstelle die Anzahl und Größe der Fettzellen
deutlich zunahm. Und noch wichtiger, diese Fettzellen produzierten
große Mengen eines antimikrobiellen Peptids (AMP) namens
Cathelicidin (CAMP). AMPs sind Moleküle, die von unserem angeborenen
Immunsystem benutzt werden, um eindringende Bakterien, Viren, Pilze
und andere Krankheitserreger sofort abzutöten. »AMPs sind unsere
erste Verteidigungslinie bei Infektionen. Sie sind in der Evolution
sehr alt und werden von allen lebenden Organismen verwendet, um sich
zu schützen«, sagt Gallo. »Allerdings wird beim Menschen zunehmend
klar, dass die Anwesenheit von AMPs ein zweischneidiges Schwert sein
kann, das gilt besonders für CAMP. Zu wenig CAMP führt zu einer
hohen Infektanfälligkeit. Das beste Beispiel ist das atopische
Ekzem, auch Neurodermitis genannt. Diese Patienten leiden zusätzlich
oft unter häufigen Infektionen mit Staphylokokken und Viren. Aber zu
viel CAMP ist ebenfalls schlecht. Wissenschaftliche Beweise deuten
an, dass viel CAMP im Blut Autoimmunkrankheiten und andere
entzündliche Erkrankungen wie Lupus, Schuppenflechte (Psoriasis) und
Rosacea fördert.«
Höherer
CAMP-Spiegel bei Übergewicht
Die
Wissenschaftler bestätigten ihre Ergebnisse durch die Analyse von S.
aureus-Infektionen bei Mäusen, die entweder keine wirksamen
Adipozyten produzieren konnten oder deren Fettzellen nicht genügend
AMPs und CAMP ausschütteten. In allen Fällen stellten sie fest,
dass die Mäuse häufiger an Infektionen litten, die auch schwerer
waren. Weitere Tests bestätigten, dass menschliche Adipozyten auch
Cathelicidin herstellen. Das weist darauf hin, dass die Immunantwort
in Nagetieren und Menschen ähnlich funktioniert. Interessanterweise
wurde bei übergewichtigen Lebewesen ein höherer CAMP-Spiegel im
Blut gefunden als bei normalgewichtigen Individuen.
Neue
Therapiemöglichkeiten
Die
mögliche klinische Anwendung der Forschungsergebnisse erfordert
weitere Untersuchungen, sagt Gallo. »Eine mangelhafte AMP-Produktion
durch reife Adipozyten kann aufgrund von Übergewicht oder
Insulinresistenz entstehen und zu einer höheren Infektanfälligkeit
führen. Aber zu viel Cathelicidin könnte ungesunde
Entzündungsreaktionen provozieren. Der Schlüssel ist, dass wir nun
diesen Teil des Immunantwort-Puzzles kennen. Das eröffnet uns
fantastische neue Forschungsmöglichkeiten. So könnten
beispielsweise heutige Medikamente für Diabetiker auch anderen
Patienten nützen, die diesen Aspekt der Immunabwehr ankurbeln
müssen. Umgekehrt können die Forschungsergebnisse Wissenschaftlern
helfen, Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Übergewicht zu
verstehen und neue Strategien zu entwickeln, um die medizinische
Versorgung zu verbessern.«
Quelle:
Ling-juan Zhang, Christian F. Guerrero-Juarez, Tissa Hata, Sagar P.
Bapat, Raul Ramos, Maksim V. Plikus, Richard L. Gallo: Dermal
adipocytes protect against invasive Staphylococcus aureus skin
infection. Science 2 January 2015: 347 (6217), 67-71.
DOI:10.1126/science.1260972
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