Männer werden im Alter früher vergesslich (Foto: SplitShire - pixabay.com) |
Fast
jeder Mensch bekommt mit zunehmendem Alter Gedächtnisprobleme. Doch
Männer sind dafür anfälliger als Frauen.
Sie
können sich den Namen des neuen Kollegen einfach nicht merken? Sie
suchen wieder mal den Autoschlüssel? Und was wollten Sie noch mal
einkaufen? Jeder von uns kennt solche Situationen. Erst recht, wenn
wir schon einige Jährchen an Lebenszeit auf dem Buckel haben. Unser
Gedächtnis lässt uns dann immer häufiger im Stich. Aber seien Sie
nicht allzu besorgt: Laut einer neuen Studie leiden wir mit
zunehmendem Alter alle unter Gedächtnislücken. Allerdings sind
Männer dafür anfälliger als Frauen.
Das
Gehirn schrumpft mit dem Alter
Die
Studie berichtet, dass Gedächtnis und Gehirnvolumen typischerweise
mit dem Alter abnehmen. Überraschend war, dass das wenig mit der
Bildung von Ablagerungen im Gehirn zu tun hat. Solche Plaques
kennzeichnen den Beginn einer Alzheimer Erkrankung. Die
Wissenschaftler sind sich sicher, dass ihre Ergebnisse die
bestehenden Ansichten über das alternde Gehirn infrage stellen
können.
Experten
haben darüber spekuliert, dass auftretende Gedächtnislücken bei
älteren Erwachsenen ein frühes Zeichen für Alzheimer sein könnten
und wahrscheinlich in Verbindung stehen mit der abnormalen Anhäufung
eines Proteins namens Beta-Amyloid im Gehirn. »Aber unsere
Ergebnisse deuten an, dass das Gedächtnis tatsächlich bei fast
jedem abnimmt und das, lange bevor irgendwelche Beta-Amyloide sich im
Gehirn ansammeln«, sagt Studienleiter Dr. Clifford Jack von der
Mayo-Klinik in Rochester, Minnesota.
Plaques
treten erst im höheren Alter auf
Beta-Amyloid-Ansammlungen
- allgemein Plaques genannt - sind immer noch ein typisches
Kennzeichen für Alzheimer, sagt Dr. Jack. Aber die neuen Ergebnisse
deuten an, dass die Plaques nicht die Erkrankung anstoßen, sondern
erst später auftreten. »Es scheint ein grundlegender Effekt des
Alterns selbst auf das Gedächtnis zu sein, ganz unabhängig von
Eiweißablagerungen«, erklärt Jack. »Wir glauben, dass die
krankmachenden Beta-Amyloide meist erst spät im Leben auftreten und
dann eine bereits vorhandene Verschlechterung des Gedächtnisses
beschleunigen.«
Gedächtnisprobleme
nicht unbedingt ein Hinweis auf Alzheimer
Laut
Dr. Jack beinhaltet das auch einige gute Nachrichten. »Die
Gedächtnisprobleme, die Menschen erleben, wenn sie älter werden,
sind im Normalfall kein Hinweis auf eine drohende
Alzheimer-Erkrankung«, erklärt Jack. »Es bedeutet in keiner
Hinsicht, dass Sie unweigerlich dement werden.«
Andere
Wissenschaftler bezeichnen die Studienergebnisse als »sehr
interessant«. »Was das sehr deutlich beweist, ist, dass Gedächtnis
und Gehirnvolumen Jahre vor der Entstehung von
Beta-Amyloid-Ablagerungen abnehmen«, sagt Dr. Charles DeCarli,
Professor für Neurologie an der Universität von Kalifornien in
Davis. Unterm Strich ist der altersbedingte geistige Abbau »nicht so
einfach, wie wir es gerne hätten«, sagt DeCarli, der einen
Leitartikel zur Studie veröffentlichte.
Bildgebende
Verfahren können Plaques erst seit kurzem sichtbar machen
Die
Studienergebnisse basieren auf Daten von 1.246 Erwachsenen zwischen
30 und 95 Jahren, die keinerlei Symptome von Demenz zeigten. Sie
machten alle die üblichen Gedächtnistests sowie zwei
unterschiedliche Gehirn-Scans. Per Magnetresonanztomograph (MRT)
wurde die Größe des Hippocampus, der eine wichtige Rolle für die
Gedächtnisfunktion spielt, gemessen. Mit Hilfe einer
Positronen-Emissions-Tomographie (PET) wurde nach vorhandenen
Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn gesucht. Laut Dr. Jack sind die
technischen Möglichkeiten, um Plaques sichtbar zu machen, erst seit
wenigen Jahren vorhanden.
APOE4-Gen
macht kein schlechteres Gedächtnis
Was
sein Team fand, war überraschend. Insgesamt nahm sowohl das
Gedächtnis als auch die Größe des Gehirns zwischen dem 30. und 65.
Lebensjahr schrittweise ab. Aber nur wenige Menschen zeigten in
dieser Spanne bereits Plaque-Ablagerungen. Erst ab einem Alter von
ungefähr 70 Jahren nahm die Zahl der Menschen mit sichtbaren
Plaque-Ablagerungen deutlich zu.
Dies
galt besonders für Menschen, die die Genvariante APOE4 tragen. Diese
Genvariante ist mit einem überdurchschnittlich erhöhten Risiko für
Alzheimer verbunden. Menschen mit dem APOE4-Gen zeigen bereits in
jungen Jahren Amyloid-Ablagerungen und einen steilen Anstieg von
Plaques jenseits des 70. Lebensjahres. Dennoch zeigten die
APOE4-Träger laut der Studie keinen stärkeren Abbau bei
Gedächtnisfunktion und Gehirnvolumen. Für die Wissenschaftler war
dieser Umstand etwas überraschend. Sie betonen aber, dass alle
Studienteilnehmer nicht an Demenz litten. APOE4-Träger haben zwar
ein höheres Alzheimer-Risiko, aber davon abgesehen kein schlechteres
Gedächtnis als Menschen ohne diese Genvariante.
Männer
haben ein schlechteres Gedächtnis
Stattdessen
hatten Männer durchweg ein schlechteres Gedächtnis als Frauen und
einen proportional kleineren Hippocampus. Dies betraf alle
Altersgruppen. Andere Studien haben gezeigt, dass Frauen bei
Gedächtnistests generell besser abschneiden, aber es ist dennoch ein
auffallendes Ergebnis, findet Dr. Jack. »Grundsätzlich bedeutet
das, dass ein Mann zu sein, einen weitaus größeren Effekt auf das
Gedächtnis hat als die Genvariante APOE4 zu tragen.« Jack vermutet,
dass die höhere Rate an Herz-Kreislauf-Risikofaktoren bei Männern,
die zunehmend mit einem schlechteren Gedächtnis in Verbindung
gebracht werden, vielleicht ein Grund ist, warum Männer sich
schlechter erinnern als Frauen. Aber auch das weibliche
Geschlechtshormon Östrogen könnte eine schützende Wirkung auf das
Gedächtnis von Frauen haben, denn es schützt Frauen auch vor Herz-
und Gefäßkrankheiten.
Doch
bevor Männer nun in Panik geraten, betont DeCarli, dass eine
ausgewachsene Demenz bei Männern nicht häufiger vorkommt als bei
Frauen, vielleicht weil Frauen im Allgemeinen eine höhere
Lebenserwartung haben.
Abnahme
des Gehirnvolumens nun im Fokus
Doch
was verursacht letztlich den schleichenden Abbau der
Gedächtnisfunktion, wenn es nicht die Amyloid-Ablagerungen sind? Dr.
Jack weist auf mögliche Schuldige hin: Herzerkrankungen,
Schlaganfall und die Risikofaktoren für diese Krankheiten wie
Bluthochdruck und Diabetes. All diese Faktoren können den Blutfluss
zum Gehirn behindern und vielleicht eine Schrumpfung des Hirngewebes
verursachen. DeCarli stimmt zu, aber meint, dass weitere Faktoren
einbezogen werden müssen. Mary Sano, Alzheimer-Forscherin am Mount
Sinai-Krankenhaus in New York, hält die Entdeckungen für spannend.
Viele Forschungen, die sich auf vorbeugende Maßnahmen gegen
Alzheimer richteten, konzentrierten sich auf die Plaque-Ansammlungen,
merkt Sano an. Aber diese Studie, sagt sie, beschreitet andere Wege,
einschließlich Maßnahmen, die sich auf das Gehirnvolumen
fokussieren.
Viel
Bewegung hält auch das Gehirn gesund
Aber
wie verändert man das Gehirnvolumen? Bewegung ist eine Möglichkeit.
»Forschungen haben gezeigt, dass körperliche Aktivität das
Schrumpfen des Gehirns im Alter verlangsamt«, erklärt Sano. Und
trotzdem zeigen auch die aktuellen Ergebnisse, wie viel
Wissenschaftler noch über das alternde Gehirn und den
Alterungsprozess an sich lernen müssen. »Warum wird unsere Haut
trocken, wenn wir älter werden?«, fragt sich DeCarli. »Und warum
werden unsere Haare grau? Eigentlich wissen wir noch sehr wenig über
die Veränderungen durch das Altern.«
Quelle:
Clifford R. Jack, Heather J. Wiste, Stephen D. Weigand, David S.
Knopman, Prashanthi Vemuri, Michelle M. Mielke, Val Lowe, Matthew L.
Senjem, Jeffrey L. Gunter, Mary M. Machulda, Brian E. Gregg, V. Shane
Pankratz, Walter A. Rocca, Ronald C. Petersen. Age, Sex, andAPOEε4
Effects on Memory, Brain Structure, and β-Amyloid Across the Adult
Life Span. JAMA Neurology, 2015; DOI: 10.1001/jamaneurol.2014.4821
Charles
DeCarli. A Call for New Thoughts About What Might Influence Human
Brain Aging. JAMA Neurology, 2015; DOI: 10.1001/jamaneurol.2015.33
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