Donnerstag, 25. Juni 2015

Schlafstörungen fördern Alzheimer und Gedächtnisverlust


Schlafstörungen fördern Alzheimer
(Foto: Giuliamar - pixabay.com)
Schlaf könnte das fehlende Puzzleteil bei der Erforschung der Alzheimer-Krankheit sein. Bei fehlendem Tiefschlaf sammeln sich mehr schädliche Eiweißablagerungen im Gehirn.


Wissenschaftler an der Universität von Kalifornien in Berkley haben zwingende Beweise dafür gefunden, dass schlechter Schlaf eine Ursache dafür ist, dass die Beta-Amyloid-Eiweiße, die als Auslöser für die Alzheimer-Erkrankung gelten, das Langzeitgedächtnis angreifen. Dies gilt besonders dann, wenn zu wenig erholsame Tiefschlafphasen stattfinden, die normalerweise für eine Speicherung von Informationen im Gedächtnis sorgen.

Welle von Alzheimer-Patienten durch Babyboomers
»Unsere Forschungsergebnisse enthüllen einen neuen Weg, durch den Alzheimer im späteren Leben Gedächtnisverlust verursacht«, sagt Neurowissenschaftler Matthew Walker, Senior-Autor der Studie, die er im Journal »Nature Neuroscience« veröffentlicht.
Übermäßige Ablagerungen von Beta-Amyloid-Proteinen sind die Hauptverdächtigen bei der Alzheimer-Erkrankung, einer extremen Form von Demenz, verursacht durch das allmähliche Absterben der Gehirnzellen. Eine beispiellose Welle alternder Babyboomer wird erwartungsgemäß die Alzheimer-Krankheit - die in mehr als 40 Millionen Menschen diagnostiziert wurde - zu einem weltweit am schnellsten wachsenden und die öffentliche Gesundheit am meisten belastenden Gesundheitsproblem machen.

Schlafstörungen sind gut behandelbar
Die gute Nachricht bei den Forschungsergebnissen ist, sagt Walker, dass schlechter Schlaf wahrscheinlich behandelbar ist und ergänzt werden kann mit Sport, Verhaltenstherapie und sogar elektrischer Stimulation, die die Gehirnwellen während des Schlafens stärken. Diese Technologie wurde bereits bei jungen Erwachsenen angewendet, um ihr »über Nacht« Gedächtnis zu vergrößern.
»Die Entdeckung bietet Hoffnung«, sagt Walker. »Schlaf könnte ein neues therapeutisches Ziel sein, um Gedächtnisbeeinträchtigungen bei älteren Erwachsenen zu bekämpfen, sogar bei Menschen mit Demenz.«
Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit den Neurowissenschaftlern Bryce Mander und William Jagust, einem führenden Experten für Alzheimer, durchgeführt. Das Forschungsteam erhielt weitere finanzielle Mittel, um eine Langzeitstudie durchzuführen und zu prüfen, ob Schlaf tatsächlich ein frühes Warnzeichen oder ein Biomarker für die Alzheimer-Krankheit sein kann.

Teufelskreis von schlechtem Schlaf und Eiweißablagerungen
»Über die letzten Jahre wurden die Hinweise für einen Zusammenhang zwischen Schlaf, Beta-Amyloiden, Gedächtnis und Alzheimer-Krankheit stärker«, sagt Jagust. »Unsere Studie zeigt, dass diese Beta-Amyloid-Ablagerungen zu einem Teufelskreis führen können, in dem der Schlaf weiter gestört wird und das Gedächtnis beeinträchtigt.«
Mit Hilfe von aussagekräftigen Bildern des Gehirns und weiteren diagnostischen Möglichkeiten bei 26 älteren Erwachsenen, die noch keine Demenz hatten, untersuchten die Forscher die Verbindung zwischen schlechtem Schlaf, schlechtem Gedächtnis und der Ansammlung von giftigen Beta-Amyloid-Proteinen.
»Die Daten, die wir gesammelt haben, weisen sehr stark auf einen kausalen Link hin«, sagt Mander, Studienleiter und Postdoktorand im Schlaflabor von Walker. »Wenn es uns gelingt, einzugreifen und den Schlaf zu verbessern, können wir vielleicht die kausale Kette durchbrechen.«

Schlaf reinigt das Gehirn von schädlichem Eiweiß
Eine Ansammlung von Beta-Amyloiden wurde bei Alzheimer-Patienten gefunden und, unabhängig davon, bei Menschen mit Schlafstörungen. Darüber hinaus stellte 2013 eine Studie der Universität Rochester fest, dass die Gehirnzellen von Mäusen schrumpfen während der Non-REM-Schlafphase, um Platz zu machen für Flüssigkeit aus Gehirn und Rückenmark, die die giftigen Stoffwechselprodukte wie Beta-Amyloide wegspült. »Schlaf unterstützt das Auswaschen giftiger Eiweiße während der Nacht und verhindert, dass sie sich ansammeln und die Gehirnzellen zerstören«, erklärt Walker. »Schlaf liefert sozusagen einen Power-Cleaner fürs Gehirn.«
Besonders untersuchten die Forscher, wie die Menge von Beta-Amyloiden im medialen Frontallappen des Gehirns den tiefen Non-REM-Schlaf behindert, den wir brauchen, um faktenbasierte Erinnerungen zu speichern und zu festigen.

Non-REM-Schlaf wichtig fürs Gedächtnis
In einer früheren Studie fanden Mander, Jagust und Walker, dass die kraftvollen Gehirnwellen, die während des Non-REM-Schlafes erzeugt werden, eine Schlüsselrolle spielen bei der Übertragung von Erinnerungen vom Hippocampus - zuständig für das Kurzzeitgedächtnis - zum Langzeitgedächtnis im präfrontalen Kortex. Eine Verschlechterung in diesem Bereich des Gehirns war bei Senioren mit schlechtem Schlaf verbunden. Während der Non-REM-Schlafphasen träumt der Schläfer in der Regel nicht. Während dieser Schlafphase sinken Blutdruck und Körpertemperatur und es finden keine Augenbewegungen statt wie beim REM-Schlaf. Diese Schlafphase reicht bis in den Tiefschlaf und der Schläfer lässt sich nur mit Mühe aufwecken.
»Je mehr Sie sich nach einer guten Nacht merken können, je weniger sind sie vom Hippocampus (Kurzzeitgedächtnis) abhängig und desto mehr nutzen Sie den präfrontalen Kortex (Langzeitgedächtnis)«, erklärt Walker. »Man kann es vergleichen mit dem Speichern von Dateien auf der sicheren Festplatte eines Computers und dem kurzzeitigen Zwischenspeichern von Daten auf einem USB-Stick.«

Viele Eiweißablagerungen: schlechter Schlaf und schlechtes Gedächtnis
Insgesamt zeigte die Studie, dass die Teilnehmer mit den höchsten Beta-Amyloid-Spiegeln im medialen Frontallappen den schlechtesten Schlaf hatten und daraus resultierend, die schlechtesten Ergebnisse bei den Gedächtnistests erzielten. Teilweise fehlte die Hälfte der Informationen, die sie sich von einem auf den anderen Tag merken sollten.
»Je mehr Beta-Amyloid-Eiweiße sich in bestimmten Teilen des Gehirns befinden, desto weniger tief ist der Schlaf und desto schlechter ist das Gedächtnis«, sagt Walker. »Und je weniger Tiefschlafphasen Sie haben, desto weniger effektiv funktioniert die »Reinigung« von diesem schädlichen Protein. Es ist ein Teufelskreis. Aber wir wissen bis jetzt nicht, welcher dieser beiden Faktoren - schlechter Schlaf oder schädliches Eiweiß - diesen Kreislauf in Gang setzt. Was war zuerst: Henne oder Ei?«, fügt Walker hinzu. Und das wollen die Forscher nun mit einer neuen Gruppe von Senioren in den nächsten fünf Jahren herausfinden. »Das ist ein neuer Mechanismus, der Alzheimer mit Gedächtnisverlust verbindet und er ist besonders wichtig, denn dagegen können wir etwas unternehmen«, betont Mander.

Quelle: Bryce A Mander, Shawn M Marks, Jacob W Vogel, Vikram Rao, Brandon Lu, Jared M Saletin, Sonia Ancoli-Israel, William J Jagust & Matthew P Walker: β-amyloid disrupts human NREM slow waves and related hippocampus-dependent memory consolidation. Nature Neuroscience (2015), DOI: 10.1038/nn.4035

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