Zucker schadet dem Herzen mehr als gesättigte Fette (Foto: Maddox74 - pixabay.com) |
Tödliche Herzprobleme treten eher durch Zucker als durch
gesättigte Fettsäuren auf, wie amerikanische Forschungen beweisen.
Die koronare Herzerkrankung (KHK),
bei der die Herzkranzgefäße durch Ablagerungen geschädigt sind,
ist die Todesursache Nummer eins in westlichen Ländern. Ein akutes
Symptom für diese Erkrankung ist ein Herzinfarkt.
Jahrelang haben wir zu hören
bekommen, dass wir mit gesättigten Fetten aufpassen müssen, weil
diese die Herzkranzgefäße zu viel belasten. Ein viel größerer
Übeltäter, Zucker, bleibt dadurch vernachlässigt, schreiben die
Forscher James DiNicolantonio, James O’Keefe und Sean Lucan im
Fachjournal »Progress in Cardiovascular Diseases«.
Raffinierter zugefügter Zucker
richtet Schaden an
Sie
analysierten, welche Beweise es gibt für den Zusammenhang zwischen
gesättigten Fettsäuren, Zucker und koronaren Herzerkrankungen. Ihre
Schlussfolgerung: Zuckerkonsum, vor allem in Form von raffiniertem
zugefügtem Zucker wie handelsüblicher Kristallzucker, verursacht
viel eher Herzerkrankungen als gesättige Fette.
Die
große Aufmerksamkeit für gesättigte Fettsäuren ergab sich aus
Forschungen, die in den 1950-er Jahren durch den Amerikaner Ancel
Keys gestartet wurden. Er ging davon aus, dass gesättigte Fettsäuren
den Cholesterinspiegel ansteigen lassen und zu Herzerkrankungen
führen. Zur selben Zeit wies der Brite John Yudkin auf die viel
gefährlichere Rolle von Zucker hin. Beide Wissenschaftler konnten
ihre Theorien durch große Beobachtungsstudien stützen, denn
Menschen essen Nahrungsmittel, die beides enthalten und nicht nur
einzelne Nahrungsbestandteile. Doch Medizinwelt und Regierungen
drängten ab den 1960-er Jahren vor allem auf eine Begrenzung der
Fettzufuhr.
Fettstoffwechsel komplexer als
angenommen
Dass
Yudkin und Keys zu dieser Zeit zu entgegengesetzten
Schlussfolgerungen kamen, ist verständlich: Menschen, die viel
Zucker essen, essen oft auch viele gesättigte Fette. Doch heute,
mehr als ein halbes Jahrhundert später, verfügen die
Wissenschaftler über wesentlich mehr Daten und Ergebnisse. »Außerdem
verstehen wir besser, welchen Einfluss Nahrung auf unseren Körper
und vor allem auf koronare Herzkrankheiten hat«, sagt
DiNicolantonio.
Wie
gesättigte Fette im Stoffwechsel verarbeitet werden, erweist sich
doch als weitaus komplexer als lange Zeit angenommen. So sind
bestimmte gesättigte Fette sogar gut fürs Herz. Sie erhöhen
nämlich das »gute« HDL-Cholesterin, das mit einem reduzierten
Risiko für Herzkrankheiten in Verbindung gebracht wird.
Fette oft durch Zucker ersetzt
Die
gesättigten Fette oder eine andere Komponente in der Ernährung zu
ersetzen, bedeutet beinahe zwangsläufig, es durch etwas anderes zu
ersetzen. Wenn Kohlenhydrate, besonders raffinierte Kohlenhydrate wie
Zucker, die gesättigten Fette ersetzen, kann das einen negativen
Einfluss auf die Blutfettwerte haben.
Wie
bereits vorher erwähnt, essen Menschen keine isolierten Fettsäuren;
sie essen Nahrungsmittel, die aus einer Mischung von Fettsäuren und
anderen Bestandteilen bestehen. Während eine hohe Zufuhr von
verarbeitetem Fleisch das Risiko für koronare Herzerkrankungen
steigern kann, können gesättigte Fette aus Milchprodukten das
Risiko sogar senken.
Zucker verursacht in wenigen Wochen
Schäden
Es
wurde bereits gezeigt, dass eine Ernährung mit viel Zucker innerhalb
weniger Wochen schon zahlreiche Veränderungen hervorruft, die auch
bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung vorkommen. Dazu gehören
hohes Gesamtcholesterin, hohe Triglycerid-Werte, hohes »schlechtes«
LDL, hoher Harnsäurespiegel, Insulinresistenz, niedriges »gutes«
HDL und eine veränderte Funktion der Blutplättchen. Dieser
Gesamteffekt einer zuckerhaltigen Ernährung auf die
Gesundheitsmarker ist wahrscheinlich schädlicher für die Gesundheit
als ein erhöhter Konsum gesättigter Fette, die zwar das »schlechte«
LDL erhöhen können, aber auch gleichzeitig das »gute« HDL steigen
lassen.
Fruktose hemmt die Wirkung des
Hungerhormons Leptin
Zugefügte
Fruktose - meist in Form von Haushaltszucker - oder Fruktosesirup in
verarbeiteten Lebensmitteln und Getränken scheint dagegen potenziell
besonders gefährlich. Der Konsum dieser Zuckerarten kann zu einer
Resistenz gegen Leptin führen, welches das Schlüsselhormon für die
Regulierung eines normalen Körpergewichts darstellt. Die übermäßige
Zufuhr von Fruktose erhöht ohne Zweifel das Risiko für Übergewicht,
was ebenfalls ein Risikofaktor für die koronare Herzerkrankung ist.
Fruktose fördert eine Fettleber
Übermäßiger
Konsum von Fruktose erhöht außerdem merklich das Risiko für eine
nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLE), eine der meist
vorkommenden Lebererkrankungen und ein starker Risikofaktor für die
Schädigung der Herzkranzgefäße. Eine Fettlebererkrankung schädigt
das Herz mehr als Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, männliches
Geschlecht, hohes Cholesterin und metabolisches Syndrom.
Keine Gefahr durch Zucker aus Obst
und Gemüse
Natürlicher
Zucker aus Obst und Gemüse formt keine erhöhte Gefahr fürs Herz.
Das Problem sind die raffinierten Zuckerarten in verarbeiteten
Lebensmitteln und Fertiggerichten. Leider enthalten 75 Prozent der
verpackten Lebensmittel und Getränke zugefügten Zucker oder
Fruktosesirup. Eine sehr zuckerhaltige Ernährung fördert außerdem
Prädiabetes und Diabetes, wie Studien festgestellt haben. Und beides
schädigt die Herzkranzgefäße und besonders die linke
Koronararterie.
Ernährungsempfehlung: Verarbeitete
Lebensmittel meiden
Stark
verarbeitete Lebensmittel sind tendenziell auch Quellen für
gesättigte Fette, doch die Schäden, die diesen Produkten
zugeschrieben werden, haben vielleicht nichts mit dem Fett zu tun,
aber alles mit der Verarbeitung selbst. Deshalb ist die beste
Empfehlung, verarbeitete Lebensmittel zu meiden anstatt nur
gesättigten Fetten aus dem Weg zu gehen. Das könnte dazu führen,
dass Menschen Lebensmittel meiden, die eigentlich harmlos sind und -
im Falle von Milchprodukten - sogar gesundheitsfördernd. Sie könnten
im schlimmsten Fall zu Produkten greifen, die ihnen eher schaden,
weil sie zwar wenig Fett enthalten, aber stark verarbeitet sind und
große Mengen versteckten zugefügten Zucker enthalten.
»Nach
einer gründlichen Analyse der Beweislage scheint es angemessen, dass
die Ernährungsempfehlungen den Fokus nicht länger auf die
Reduzierung gesättigter Fette richten, sondern mehr auf die
Vermeidung von zugefügtem Zucker«, erklärt DiNicolantonio. »Die
wichtigste Empfehlung sollte das Essen frischer Nahrungsmittel
unterstützen und die Vermeidung von stark verarbeiteten
Nahrungsmitteln.«
Quelle:
James J. DiNicolantonio, Sean C. Lucan, James H. O’Keefe. The
Evidence for Saturated Fat and for Sugar Related to Coronary Heart
Disease. Progress in Cardiovascular Diseases, 2015; DOI:
10.1016/j.pcad.2015.11.006
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