Mittwoch, 4. Januar 2017

Diabetiker sollten mehr schlendern


Täglich mehr Bewegung wie Stehen oder Schlendern reguliert den Blutzucker besser als eine Stunde intensives Training.


Täglich mehr stehen und Bewegungen, wie beispielsweise schlendern, ist für die Zuckerregulierung von Diabetikern besser als eine Stunde täglich intensives Sporttraining. »Die Norm für Menschen mit Zuckerkrankheit beinhaltet, dass sie sich jeden Tag eine halbe bis eine Stunde intensiv bewegen müssen. Diese Norm erweist sich als ungenügend.« Das sagt Bernard Duvivier, Wissenschaftler der Abteilung »Humanbiologie und Bewegungswissenschaften« an der Universität Maastricht. Seine Forschungsergebnisse veröffentlichte er kürzlich in der europäischen Fachzeitschrift »Diabetologia«.

Drei Bewegungsformen
Niedrig intensives, alltägliches Bewegen wie Stehen, Schlendern oder Spazierengehen, hat einen positiveren Effekt auf die Blutzuckerregulation von Diabetespatienten als eine Stunde täglich intensiver Sport. Voraussetzung ist allerdings, dass der Kalorienverbrauch bei beiden Bewegungsformen ungefähr gleich ist. Der aus Belgien stammende Duvivier entwarf für seine Studie drei Bewegungsprogramme und bat 19 Diabetiker des Typs 2, jede der drei Bewegungsformen jeweils an vier aufeinanderfolgenden Tagen durchzuführen. In der ersten Gruppe mussten die Teilnehmer 14 Stunden täglich sitzen. Sie durften nur für zwei Stunden laufen und stehen. In der zweiten Gruppe wurde eine Stunde Sitzen gegen eine Stunde intensives Radfahren eingetauscht. In der dritten Gruppe wurden die Teilnehmer gebeten, fünf Stunden Sitzen gegen zwei Stunden Spazierengehen und drei Stunden Stehen einzutauschen. Das Radfahren fand unter Aufsicht an der Universität statt. Die anderen Aktivitäten durften die Teilnehmer zu Hause durchführen und die Bewegungen wurden von einem Bewegungsmessgerät genau aufgezeichnet.

Bessere Zuckerregulierung
Jeweils am letzten Tag eines Bewegungstrainings bekamen die Teilnehmer vorverpackte Mahlzeiten mit nach Hause. Gleichzeitig führten die Wissenschaftler eine 24-Stunden-Messung des Blutzuckers mittels eines Sensors im Bauch durch. Am darauffolgenden Tag nahmen die Wissenschaftler Blutproben, um Zucker, Insulinresistenz und Blutfette zu messen. Insulinresistenz ist ein Maß, das angibt, wie gut der Zucker mit Hilfe des Insulinhormons aus dem Blut aufgenommen werden kann. Je niedriger die Insulinresistenz, desto besser ist die Zuckerkrankheit reguliert.
Sowohl während der Zeiten mit weniger Sitzen als auch während der Sportzeit, traten Verbesserungen der Zucker- und Cholesterinwerte im Blut auf. Obwohl beim weniger Sitzen und beim Sport gleich viel Kalorien verbraucht wurden, war die Insulinresistenz während des weniger Sitzens besser als beim Sport.

Bewegungsnorm ist ungenügend
»Die Forschungsergebnisse zeigen, dass eine Stunde Sport die negativen Effekte eines ganzen Tages in sitzender Haltung nicht vollständig kompensieren kann und dass vor allem weniger Sitzen für Diabetiker sehr wichtig ist. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse auch an, dass bei Menschen mit Diabetes (langsames) Spaziergehen eine Alternative zum Sport darstellen kann, um die Blutzuckerwerte besser unter Kontrolle zu halten«, so Duvivier. »Die sogenannte Bewegungsnorm für diese Gruppe von Patienten, nach der sie jeden Tag minimal eine halbe Stunde intensiv Sport treiben sollen, erweist sich also als ungenügend. Nicht jeder kann oder will Sport treiben, wodurch viele Menschen der Empfehlung auch nicht folgen. Momentan werden daher Richtlinien entworfen, die bereits auf weniger Sitzen Wert legen.«

Nicht nur für Diabetiker
Die Vorteile des weniger Sitzens gegenüber einer Stunde intensiven Sports gelten übrigens nicht nur für Menschen mit Diabetes. 2013 veröffentlichte dieselbe Gruppe Bewegungswissenschaftler der Universität Maastricht eine vergleichbare Studie, aus der hervorging, dass auch gesunde Studenten zwischen 19 und 24 Jahren mehr Gesundheitsvorteile erfahren durch eine lange Periode niedrig intensiver Bewegung als durch kürzere Perioden mit intensiver Aktivität. Duvivier untersucht momentan, ob niedrig intensive Bewegungsformen auch Gesundheitsvorteile bieten für Menschen mit starkem Übergewicht. Die ersten Ergebnisse scheinen darauf hinzuweisen, dass auch stark Übergewichtige von mehr Spazierengehen und Stehen profitieren können.

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