Donnerstag, 2. März 2017

Wer viel flucht, ist ehrlicher


Fluchen hat zwar keinen guten Ruf, dafür sind Menschen, die häufiger fluchen, ehrlicher als andere, sagen Wissenschaftler.



»Verdammt noch mal! Wie blöd bist Du eigentlich?« Solche oder ähnliche lautstarke Beschimpfungen sind jedem von uns schon mal rausgerutscht. Ob bei der Arbeit, beim Autofahren oder in der Freizeit: Wenn etwas schief geht, wir genervt sind oder unter Zeitdruck alles erst recht wie in Zeitlupe passiert, dann bricht es vor lauter Frustration aus uns heraus und wir müssen der aufgestauten Wut einfach freien Lauf lassen. Wenn wir alleine sind, ist das auch weiter kein Problem, aber in Gesellschaft von Mitmenschen wird lautes Fluchen als eher unpassend, unhöflich und als Zeichen schlechter Manieren angesehen. Und der Fluchende gilt nicht unbedingt als Gutmensch oder soziales Vorbild. Bestimmt erinnern Sie sich auch noch an die mahnenden Blicke von Vater oder Mutter, wenn Sie Ihren Spielkameraden mit unüberhörbaren Schimpftiraden überschüttet haben, weil er Ihnen gerade Ihr Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. Doch Menschen, die ihrem Ärger freien Lauf lassen und öfter mal fluchen, sind besser als ihr Ruf, sagen Wissenschaftler der Universität Cambridge. Denn sie sind bisweilen ehrlicher als ihre höflichen und beherrschten Mitmenschen.



Wer flucht, lügt weniger

Forschungen von Wissenschaftlern aus den Niederlanden, Großbritannien, Amerika und Hongkong haben gezeigt, dass Menschen, die fluchen, weniger dazu neigen, zu lügen und zu betrügen. Die Studie im Fachjournal »Social Psychological and Personality Science« beschreibt, wie 276 Befragte eine Liste ihrer beliebtesten und meist verwendeten Schimpfworte anlegten und warum sie gerade diese Ausdrücke gebrauchten. Danach nahmen sie an einem Lügentest teil, um zu bestimmen, ob sie ehrlich waren oder einfach auf eine sozialverträgliche Weise antworteten. Die Forscher entdeckten, dass die meist ehrlichen Teilnehmer auch die schlimmsten Flucher waren: Diejenigen, die ein größeres Repertoire an Schimpfworten notiert hatten, zeigten sich weniger bereit zum Lügen.



Soziale Normen beeinflussen Ehrlichkeit

Dr. David Stillwell, der an den Forschungen beteiligt war, sagt, dass die Wechselbeziehung möglicherweise den Beschränkungen durch soziale Konventionen zuzuschreiben ist. »Wenn man versucht, den sozialen Normen zu folgen, anstatt zu sagen, was man wirklich denkt, dann sagt man das, was Menschen gerne hören wollen«, sagt er. »Auf diese Weise ist man nicht wirklich ehrlich. Menschen, die fluchen, sagen zumindest, was wirklich in ihnen vorgeht«, so Stillwell.



Amerika: »Fluchende Staaten« haben weniger Betrugsdelikte

Ob diese Behauptung sich auch aufrecht erhalten lässt bei extremer Unehrlichkeit wie Täuschung oder Betrug, ist unklar, sagt er: Diese Verbindung wurde nicht untersucht. Aber die Ergebnisse passen zu Forschungen in Amerika, die eine Verbindung feststellten zwischen Staaten, in denen viel geflucht wird und niedrigeren Zahlen bei ehrlichkeitsbezogener Kriminalität. In Staaten wie Utah, wo selten geflucht wird, gibt es zum Beispiel mehr Betrugsdelikte als in Staaten wie New Jersey, wo Fluchen an der Tagesordnung ist.

Die Forscher untersuchten auch die Facebook-Berichte von 75.000 Menschen hinsichtlich der Benutzung von Schimpfworten und entdeckten einen gleichwertigen Zusammenhang: Wer häufiger fluchte, neigte mehr dazu, eine Sprache anzuwenden, die in früheren Forschungen mit Ehrlichkeit verbunden wurde, beispielsweise die Wörter »ich« und »mir«.

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