Bittere
Nahrungsmittel wie Rosenkohl oder Chicorée sind bei den meisten
Menschen wenig beliebt. Doch der bittere Geschmack kann die
Gesundheit verbessern.
Wussten
Sie, dass wir nur einen Geschmacksrezeptor besitzen für Süßes,
aber 25 Rezeptoren, die auf Bitterstoffe reagieren? Warum so viele
Bitter-Rezeptoren? Die Antwort veranlasst Sie vielleicht dazu,
häufiger bittere Gemüsesorten in den Einkaufswagen zu legen.
Vorliebe für
Salziges und Süßes
Wir
essen vor allem Nahrung mit süßen und salzigen Geschmacksrichtungen
und selten bittere Lebensmittel. Nur wenige Menschen mögen von Natur
aus gerne Bitteres. Salz war in früheren Zeiten als
Konservierungsmittel so wertvoll, dass es sogar als Zahlungsmittel
eingesetzt wurde. Unsere besondere Vorliebe für Süßes ist nicht
zuletzt auch durch den Geschmack der Muttermilch begründet. So
lernen wir Süßes schätzen und der süße Geschmack signalisiert
uns eine wertvolle Energiequelle. Süßes - und in geringerem Umfang
auch Salziges - waren Geschmacksrichtungen, die eine essbare und
sichere Nahrungsquelle anzeigen.
Bei
bitteren Aromen war das weniger deutlich. Manche bitteren Pflanzen
können immerhin tödlich sein, wenn man sie isst. Gifte wie
Strychnin und Nikotin sind ziemlich bitter und lösen eher eine
Abwehrreaktion wie Husten oder Spucken aus. Andere bittere
Geschmäcker aktivieren unser Immunsystem und schützen uns vor
Infektionen.
Bitterer
Geschmack schützt uns
Bitterer
Geschmack aktiviert die Zilien, antennenartige Flimmerhärchen auf
fast allen menschlichen Zellen und auch in den Atemwegen. Die
Bitterstoffe lassen die Zilien schneller arbeiten, so dass Gifte und
andere unerwünschte Substanzen aus der Mundhöhle entfernt und nicht
verschluckt werden. Nicht jeder reagiert allerdings gleich gut auf
Bitterstoffe und die Reaktion auf bakterielle Angriffen kann dann
auch träge verlaufen.
Bitterstoffe
lösen starke Immunreaktion aus
Besondere
Feinschmecker, die in der Wissenschaft auch „Supertaster“ genannt
werden, besitzen besonders reaktionsfähige Bitter-Rezeptoren und
stellen mit ihren feinen Geschmacksnerven eher die Ausnahme als die
Regel dar. Dafür werden sie seltener krank als diejenigen, die
bitter weniger gut schmecken können. Die Fähigkeit der
Bitter-Rezeptoren, eine Immunreaktion auszulösen ist so stark, dass
viele Forscher glauben, Antibiotika eines Tages durch bittere
Medikamente ersetzen zu können.
Sobald
die Zilien in den Atemwegen durch den immunstärkenden bitteren
Geschmack aktiviert werden, regen Zellen in der Nase die Freisetzung
von Stickstoffmonoxid an und töten so eingedrungene Bakterien. Ein
bitterer Geschmack kann innerhalb einiger Minuten oder sogar Sekunden
nach dem Kontakt eine Immunreaktion
auslösen auf Bakterien oder Viren, während die normale
Abwehrreaktion schon mal Tage oder Wochen dauert.
Es
gibt auch Bitter-Rezeptoren, die an die Süß-Rezeptoren gekoppelt
sind. Kommen unerwünschte Bakterien mit diesen Rezeptoren in
Kontakt, werden sogenannte Defensine angeregt, die die
Krankheitserreger töten. Die Süß-Rezeptoren wittern den Untergang
der Bakterien und beginnen Glukose abzusondern: ein süßer
Geschmack. Die Süße überbringt die Botschaft: „Alles in Ordnung“
und signalisiert, dass die zuckerfressenden Bakterien keine Gefahr
mehr darstellen.
Schwache
Reaktion auf Bitteres bedeutet mehr Krankheiten
Menschen,
die zu viel Glukose ausscheiden, reagieren weniger auf Bitteres und
werden häufiger krank. Das bedeutet, dass wir nicht versäumen
sollten, unsere Bitter-Rezeptoren zu trainieren und die
Süß-Rezeptoren auf Sparflamme zu setzen. Die Bitter-Rezeptoren sind
weitaus wichtiger als bisher angenommen, denn sie befinden sich auch
im Verdauungstrakt, in den Lungen,
der Bauchspeicheldrüse und im Gehirn.
Ein
Gleichgewicht von fünf Geschmacksstoffen
In
der alten östlichen Heilkunde basierte eine Mahlzeit nicht auf
Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen, sondern gab es eher ein
Gleichgewicht aller fünf Geschmäcker: bitter, würzig, süß,
sauer, salzig. Ein Übermaß eines dieser Geschmäcker sollte die
Stimmung, die Immunabwehr und die ganze Gesundheit
durcheinanderbringen. Die Wissenschaft unterstützt diese Theorie
allerdings nicht.
Mehr Bitteres
essen
„Bitter
im Mund, macht das Herz gesund“. Wie immer, steckt auch in diesem
Sprichwort durchaus ein Körnchen Wahrheit. Doch was soll es uns
bringen, wenn wir die Sucht nach Salz und Zucker durchbrechen und uns
bewusst für Bitteres und Herbes entscheiden? Die Wissenschaft ist in
sofern deutlich, dass eine überflüssige Aktivierung der
Süß-Rezeptoren zu einem geschwächten Immunsystem führt und dass
diejenigen die empfindlicher auf Bitterstoffe reagieren, eine bessere
Immunreaktion haben. Und die alte Bauernweisheit „Bitter im Mund,
macht das Herz gesund“ gilt nicht nur fürs Herz. Um ein Beispiel
zu nennen:
Chicorée
Chicorée
gehört - wie auch Endivie und Radicchio - zur Familie der
Korbblütler und ist auch verwandt mit Löwenzahn, Wermut,
Artischocke und Mariendistel. Chicorée enthält den löslichen
Ballaststoff Inulin, viele sekundäre Pflanzenstoffe wie Terpene und
Flavonoide
sowie Vitamine. Chicorée wirkt antibakteriell
bei Bakterienarten wie dem Krankenhauskeim Staphylococcus aureus,
dem Hautbakterium Micrococcus luteus, dem Darmkeim Escherichia
coli und bei Salmonellen.
Das
Gemüse hat unzählige Vorteile: Entzündungshemmend, leberstärkend,
reduziert es Verdauungsstörungen im Oberbauch wie Übelkeit,
Blähungen und Krämpfe. Chicorée ist purinarm, was günstig bei
Gicht ist. Bei Diabetikern fördert das bittere Gemüse die
Produktion des Darmhormons
GLP-1,
das auch zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird. Die positiven
Wirkungen gelten für alle Gemüse der Chicorée-Familie.
Kohlenhydrate, denen Bitteraromen zugefügt werden – zum Beispiel
Brot mit etwas Bitterem – sollen den Stoffwechsel weniger belasten.
Bitterstoffe:
Der wichtigste Durchbruch seit den Vitaminen
Es
war Professor Gerry Potter von der Montford Universität in
Leicester, der die Salvestrole (Bitterstoffe) und ihre krebshemmende
Wirkung entdeckte. Sein Kollege, Professor Dan Burke, beschreibt sie
als den wichtigsten Durchbruch in der Ernährung seit der Entdeckung
der Vitamine. Bitterstoffe gehören zu den Polyphenolen und werden in
Krebszellen nur aktiv, wenn sie mit dem Enzym CYP1B1 in Kontakt
kommen. Resveratrol war das erste Salvestrol, dass entdeckt wurde und
inzwischen wird über diese Substanz aus Trauben regelmäßig
berichtet. Auch Cranberry-Saft und Olivenöl sind reich an diesen
gesundheitsfördernden Stoffen.
Salvestrol
ist nicht nur in den typisch bitteren Obst- und Gemüsesorten. Potter
hat eine Liste zusammengestellt mit Nahrungsmitteln, die die meisten
Bitterstoffe enthalten:
-
Gemüse: alle grünen Gemüse, besonders Brokkoli und alle Kohlsorten, Artischocken, rote und gelbe Paprika, Avocado, Spargel und Auberginen. Die Gemüse sollten nicht in kochendem Wasser zubereitet werden, das zerstört die gesunden Bitterstoffe.
-
Kräuter: Petersilie, Salbei, Rosmarin, Thymian, Basilikum, Löwenzahn, Mariendistel, Rooibos- und Zitronenverbenen-Tee, Wegerich, Kamille und Minze.
-
Obst: alle roten Früchte, Äpfel und Birnen.
Moderne
Nahrungsmittel sind nicht bitter genug
Die
Nahrungsmittelindustrie ist leider in den vergangenen Jahrzehnten
dazu übergegangen die Bitterstoffe aus den Gemüsen herauszuzüchten,
damit sie vom Verbraucher besser angenommen werden. Rosenkohl,
Endivie und Chicorée enthalten heute deutlich weniger Bitterstoffe
als früher. Leider entgehen uns dadurch auch viele positive
Auswirkungen auf die Gesundheit. Bitterstoffe senken die Lust auf
Süßes, sorgen für eine gute Verdauung und beugen sogar Sodbrennen
vor. Wer sich also etwas Gutes tun möchte, der greift nach dem Essen
mal wieder zum traditionellen, aber fast vergessenen Kräuter- oder
Magenbitter statt zu säurehemmenden Medikamenten.
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