Mittwoch, 12. Juli 2017

Salz macht hungrig


Bislang ging man immer davon aus, dass salzige Nahrungsmittel den Durst fördern und uns mehr Wasser trinken lassen. Doch ist es möglich, dass Salz uns auch mehr essen lässt?


Wissenschaftler haben angefangen, die bislang unbekannte Rolle von Salz für Hungergefühl und Gewichtszunahme zu erforschen. Verschiedene aktuelle Studien untersuchen, warum Salz uns dazu ermutigen kann, zu viel zu essen.

Bis jetzt haben wir uns immer auf die Wirkung von Salz auf den Blutdruck fokussiert“, sagt Jens Titze, Professor für molekulare Physiologie und Biophysik an der Vanderbilt Universität in Nashville. „Wir müssen unsere Auffassung über Salz auf die Ernährung ausweiten.“

Salz macht hungrig

Titze war der Studienleiter bei einer neuen Studie, die die Auffassung, dass salzige Nahrung uns durstig macht, auf die Probe stellt. Stattdessen stellte er fest, dass Menschen, die große Mengen Salz essen, tatsächlich weniger Wasser trinken als diejenigen, die sich weniger salzig ernähren. Zudem wurden die Salzliebhaber hungriger. Langfristig kann dieser größere Appetit dazu führen, dass man zu viel isst und auch entsprechend zunimmt.

Tests mit unterschiedlichen Salzmengen

Für die Studie erhielten Titze und seine Kollegen Zugang zu einer Gruppe einzigartiger Studienobjekte: Zehn russische Astronauten – oder Kosmonauten – die sich auf die Strapazen einer Reise zum Mars vorbereiteten. Die Weltraumflugsimulation, die sich über Monate hinzog, lieferte den Wissenschaftlern eine stabile Umgebung für ihre Forschung, wie Salz die Astronauten beeinflusst.

Während der Studie gab es in der Ernährung der Kosmonauten keine Unterschiede, außer in dem einen Punkt, dass die Wissenschaftler die Salzmengen in der Nahrung veränderten. Die Studienteilnehmer starteten mit einer Ernährung, die zwölf Gramm Salz täglich enthielt. Das ist die doppelte Menge der in Amerika geltenden Ernährungsempfehlungen. Nach einigen Wochen reduzierten die Wissenschaftler die Salzmenge auf neun Gramm pro Tag. Im letzten Drittel der Studienperiode aßen die Kosmonauten schließlich sechs Gramm Salz täglich.

Was im Laufe der Studie geschah, übertraf die Erwartungen der Forscher: Die Kosmonauten tranken mehr Wasser, wenn die Salzzufuhr reduziert wurde. „Wir konnten das einfach nicht verstehen“, sagt Titze. Er beschreibt noch eine weitere Überraschung. Die Kosmonauten klagten über Hunger während der Wochen mit hoher Salzzufuhr. „Wir sagten, ihr könnt nicht hungrig sein, ihr bekommt dieselbe Menge an Nahrung“, berichtet Titze. „Der einzige Unterschied ist die Menge an Salz.“

Salz und unsere Gesundheit

Natrium, der Hauptbestandteil von Salz, ist ein wichtiger Baustein unserer Ernährung und nicht nur ein Geschmack. Natrium lässt unsere Muskeln und Nerven richtig arbeiten und es hilft unserem Körper bei der Regulierung des Flüssigkeitshaushalts. Wird der Natriumspiegel allerdings zu hoch, steigt häufig auch der Blutdruck. Langfristig kann hoher Blutdruck ernste, lebensbedrohliche Folgen haben wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenversagen und andere Gesundheitsprobleme.

Weniger als ein Teelöffel Salz wird empfohlen

Um hohem Blutdruck vorzubeugen, empfehlen amerikanische Ernährungsrichtlinien, dass man weniger als 2.300 Milligramm Salz täglich zu sich nehmen soll. Das entspricht ungefähr einem Teelöffel Salz. Laut der American Heart Association ist das ideale Ziel, nicht mehr als 1.500 Milligramm Salz täglich aufzunehmen.

Die meisten Erwachsenen verzehren allerdings viel zu viel vom „weißen Gold“. Laut Schätzungen der amerikanischen Behörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) isst jeder erwachsene US-Bürger durchschnittlich 3.400 Milligramm Salz täglich. In den letzten Jahren begannen Wissenschaftler zu untersuchen, ob Salz die Entwicklung von Übergewicht beeinflusst. Das sind die Ergebnisse:


  • 2015 berichteten britische und chinesische Forscher, dass der Körperfettanteil bei Kindern und Erwachsenen bei einer salzreichen Ernährung steigt. Ein Gramm Salz am Tag zusätzlich, erhöht bei Kindern das Risiko für Übergewicht um 28 Prozent und bei Erwachsenen um 26 Prozent. Die Studienautoren sagen, dass sie nicht wissen, warum Salz diese Auswirkungen hat, aber andere Studien deuten an, dass Salz die Art und Weise ändert, wie der Körper Fett verbrennt.
  • Eine australische Studie aus dem Jahr 2016 brachte eine salzreiche Ernährung mit einem um 23 Prozent höheren Risiko für Übergewicht bei Schulkindern in Verbindung. Schulkinder essen mehr Salz, weil das die Nahrung schmackhafter macht, vermuten die Autoren. Sie spekulieren außerdem darüber, dass die Kinder, wenn sie nach einem salzigen Essen Durst bekommen, eher zu überall verfügbaren kalorienreichen Erfrischungsgetränken greifen.
  • Eine weitere australische Studie aus 2016 von Russel Keast, verband Salz mit einem elf prozentigen Anstieg der Essens- und Kalorienmenge, die Erwachsene aufnahmen. Die Autoren sagen, Salz verbessert den Geschmack und dass verführt wahrscheinlich dazu, mehr zu essen.



Keast, ein Professor für Nahrungswissenschaften und Leiter des Centre for Advanced Sensory Science an der Deakin Universität, sagte in einer Email, dass er davon ausgeht, dass Salz zu mehr essen animiert. Und obwohl diese Studien eine Verbindung zeigen zwischen Salz, Körperfett, vermehrtem Essen und Übergewicht, beweisen sie dennoch nicht, dass Salz etwas davon verursacht. Mehr Forschung muss betrieben werden, um die Rolle von Salz völlig zu verstehen.

Salz in der Viehzucht

Lori Roman, Präsidentin des Salt Institute, sagte in einer Email, dass ihre gemeinnützige Handelsgruppe „weiterhin die wissenschaftliche Entwicklung genau verfolgen wird.“ Sie sagt, dass Viehzüchter Salz verwenden, um den Appetit ihrer Tiere zu bremsen und die Futteraufnahme zu begrenzen. „Diese langjährigen Untersuchungen und andere Forschungen an Menschen würde dazu führen, dass wir alle Behauptungen, dass Salz Übergewicht fördern könnte, in Frage stellen müssen“, schrieb Roman. Sie fügte hinzu, dass Amerikaner im „normalen Umfang“ Salz essen.

Salz und Harnstoff

In der Weltraumflugsimulationsstudie verstanden die Autoren nicht, warum die Kosmonauten weniger tranken und hungriger wurden bei einer salzigeren Ernährung, daher wollten sie das mit Hilfe von Mäusen herausfinden. Die Studie deckte auf, dass Mäuse mit einer salzigen Ernährung, Harnstoff in der Leber produzieren, der hilft den Wasserhaushalt des Körpers im Gleichgewicht zu halten. Aber die Harnstoff-Produktion erfordert sehr viel Energie, sagt Titze. Mit anderen Worten, sie benötigt Nahrung, vor allem Eiweiß. Und diese Notwendigkeit könnte die Ursache für den Hunger der Astronauten sein. „Die Tatsache, dass sie nicht mehr tranken, aber mehr essen wollten, war interessant“, sagt Professor Vijaya Surampudi, Mediziner und Direktor eines Gewichtsmanagementprogramms. „Es bedeutet, dass dort Mechanismen am Werk sind, die wir noch nicht verstehen.“

Salz und Diät

Für Professor Mark Zeidel von der Harvard Medical School in Boston wirft die Studie wichtige neue Fragen auf und könnte aufdecken, was unseren Appetit fördert. „Was diese Studie deutlich macht, ist, dass wir besser verstehen müssen, wie Funktionen wie Appetit und Durst kontrolliert werden“, sagt Zeidel. „Die Kontrolle des Appetits ist sehr, sehr komplex.“ Zukünftige Forschungen werden mehr über Titze’s Ergebnisse berichten. In der Zwischenzeit bietet Titze seinen Rat an: „Wenn Sie auf Diät sind und Sie versuchen, weniger zu essen, sich aber immer hungrig fühlen, denken Sie an Salz. Vielleicht kann eine Reduzierung der Salzmenge Ihnen helfen.“

Salz in der Ernährung reduzieren

Weniger Salz zu essen, kann hart sein, sagt Lauren Blake, Diätexpertin am Wexner Medical Center der Ohio State Universität. Hier sind ihre Tipps:



  • Konzentrieren Sie sich auf Vollwertkost und bereiten Sie sie schon zuhause zu. Verarbeitete Nahrungsmittel und Restaurant-Mahlzeiten enthalten viel zusätzliches Salz.
  • Seien Sie sparsam mit Gewürzen wie Salatdressings, Ketchup und Sojasoße, die sehr viel Natrium enthalten.
  • Reduzieren Sie das Salz schrittweise, so dass Ihre Geschmacksnerven sich anpassen können. Wenn Sie quasi einen „kalten Entzug“ machen, wird Ihr Essen erst recht fade und unappetitlich schmecken.
  • Würzen Sie ihre Nahrungsmittel mit frischen oder getrockneten Kräutern wie Knoblauch und schwarzem Pfeffer. Je mehr Aroma Sie auf diese Weise hinzufügen, desto weniger Salz werden Sie brauchen.
  • Probieren Sie das Essen, bevor Sie zum Salzstreuer greifen. Denn vielleicht ist nachsalzen überflüssig.

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