Dienstag, 18. Juli 2017

Verhütung: Wissenschaft entdeckt „molekulares Kondom“


Zwei pflanzliche Stoffe können der Begegnung von Ei- und Samenzelle Hindernisse in den Weg legen.

Zwei Pflanzenwirkstoffe werden vielleicht zukünftig für die Verhütung einer Schwangerschaft sorgen. Und das mit deutlich weniger Nebenwirkungen als hormonelle Wirkstoffe. Zudem reichen geringe Dosierungen aus, um die Spermien so zu beeinflussen, dass sie nicht zur Eizelle durchdringen können.

Bewegung der Spermien beeinflusst Befruchtung

Wenn die Spermien sich einen Weg bahnen Richtung Eizelle, bewegt sich das Ende des Spermiums, das als Schwanz oder Geißel bezeichnet wird, sehr rhythmisch. Anders sieht es aus, sobald die Samenzelle bei der Eizelle ankommt, die von einer Gruppe von schützenden Zellen umgeben ist. Dann macht die Geißel des Spermiums mehr peitschenartige Bewegungen. So wird die Stärke erzeugt, die die Samenzelle benötigt, um die äußersten Schichten der Eizellen zu durchbrechen. Die peitschenartigen Bewegungen entstehen durch einen Kalziumkanal, der CatSper genannt wird. Er öffnet sich, Kalzium strömt in den Schwanz des Spermiums und veranlasst diese peitschenartigen Bewegungen.

Progesteron wichtig für die Beweglichkeit

Letztes Jahr entdeckten Wissenschaftler, dass das Hormon Progesteron sehr wichtig für das Öffnen des Kalziumkanals und die kräftigen Bewegungen des Spermiumschwanzes ist. Das Hormon bindet sich an ein Eiweiß namens ABHD2 und dieses Eiweiß öffnet folglich den Kalziumkanal.

Pflanzen aus der Volksmedizin

In einer neuen Studie suchen die Wissenschaftler nun nach anderen Substanzen, die sich an das Eiweiß ABHD2 binden und dafür sorgen, dass der Kalziumkanal sich gerade nicht öffnet. Aber wo soll man solche Substanzen finden? Die Wissenschaftler befragten dafür eine besondere Datenbank: Bücher, in denen Verhütungsmittel einheimischer Völker beschrieben standen. So stießen sie auf die Substanz Pristimerin, die von der eigentlich giftigen Pflanze Wilfords Dreiflügelfrucht (Tripterygium wilfordii) stammt und auf Lupeol, dass in verschiedenen Pflanzen vorkommt, beispielsweise Mango, Löwenzahnkaffee (Dandelion Coffee) oder Birkenrinde. Beide Substanzen verhindern, dass sich das Progesteron an das ABHD2 bindet und sorgen auf diese Weise dafür, dass das Spermium sich nicht kräftig genug bewegt, um in die Eizelle einzudringen. „Es legt die Spermien nicht lahm,“ erklärt Wissenschaftlerin Polina Lishko. „Es ist nicht giftig für die Samenzellen: Sie können sich immer noch bewegen. Aber sie können nicht diese kräftigen Peitschenschläge entwickeln.“

Dauerhaft oder Notlösung

Die beiden Substanzen könnten zu einem neuen dauerhaften Verhütungsmittel führen. Über ein Hautpflaster oder einen Vaginalring könnten die Substanzen kontinuierlich an den weiblichen Körper abgegeben werden. Aber Frauen könnten ein solches Mittel auch nur kurz vor oder nach dem Sex anwenden, um eine Befruchtung der Eizelle zu verhindern. Sperma benötigt im weiblichen Körper nämlich etwa fünf bis sechs Stunden Reifezeit und so gibt es auch nach dem Sex noch einen gewissen Zeitraum, um zu verhindern, dass das Spermium kräftige peitschenartige Bewegungen macht.

Besser als die „Pille danach“?

Momentan gibt es für Frauen, die ungeschützten Sex hatten, aber nicht schwanger werden wollen eigentlich nur eine Lösung: die „Pille danach“. Aber für manche Frauen ist das keine Option, weil diese Pille eine bereits befruchtete Eizelle vernichten kann, indem sie das Einnisten verhindert. Die pflanzlichen Substanzen, die jetzt gefunden wurden, wirken schon früher und verhindern, dass überhaupt eine Befruchtung stattfindet. Die Anwendung eines solchen Mittels klingt in den Ohren mancher Menschen, die eine befruchtet Eizelle bereits als Leben betrachten, wahrscheinlich annehmbarer. Aber die pflanzlichen Substanzen bieten noch mehr Vorteile, erzählt Lishko. „Weil diese aus Pflanzen gewonnenen Wirkstoffe nur in sehr geringen Konzentrationen - zehnmal niedriger als die Levonorgestrel-Konzentration in der „Pille danach“ – benötigt werden, können sie vielleicht eine neue Generation von Notfall-Verhütungsmitteln darstellen, die wir „molekulare Kondome“ getauft haben,“ erzählt Lishko. „Wenn wir ein pflanzliches, ungiftiges, hormonfreies Mittel einsetzen können, um eine Befruchtung zu verhindern, kann das eine bessere Möglichkeit sein, eine Schwangerschaft zu verhindern.“
Die Wissenschaftler erforschen im Moment, ob die Substanzen Schwangerschaften bei Primaten verhindern können. Zusätzlich suchen sie nach anderen kostengünstigen Quellen aus der Familie der Triterpenoide für die Wirkstoffe, weil die Konzentrationen in wilden Pflanzen sehr gering sind und eine Gewinnung sehr teuer.

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