Schlechte
Laune zu haben, ist besser, als man glaubt. Erst der Versuch sich
ständig gut zu fühlen, macht krank und depressiv.
Wir
alle fühlen uns so dann und wann mal schlecht. Ob es nun der
klassische Montagsblues ist oder der Tod eines nahestehenden
Menschen: Traurigkeit und Niedergeschlagenheit können uns in jedem
Moment überfallen. Doch statt über das persönliche Elend zu klagen
und zu jammern, sollten wir uns darüber freuen, meint die University
of New South Wales. Denn schlechte Laune ist tatsächliche gut für
die Gesundheit.
Ewige Glücksgefühle als Norm?
Die
Spezies Mensch ist so ziemlich das emotionalste Wesen, das man sich
vorstellen kann. 24 Stunden pro Tag werden wir von unseren Gefühlen
gesteuert. Und die sind bei Weitem nicht immer freudiger Natur. Doch
obwohl Traurigkeit und schlechte Laune immer Teil der menschlichen
Erfahrung waren, leben wir nun in einem Zeitalter, das solche Gefühle
ignoriert oder abwertet. In unserer Kultur werden normale menschliche
Emotionen wie vorübergehende Traurigkeit häufig als krankhafte
Störung behandelt. Werbung und Produktindustrie wollen uns glauben
lassen, dass Glücksgefühle rundum die Uhr eine der leichtesten
Übungen ist. Aber trotz des beinahe universellen
Fröhlichkeits-Kultes und des beispiellosen materiellen Wohlstands
haben sich Freude und Zufriedenheit in der westlichen Gesellschaft
seit Jahrzehnten nicht verbessert. Es ist Zeit, die Rolle negativer
Emotionen in unserem Leben neu zu bewerten. Wir sollten erkennen,
dass sie einen normalen und sogar nützlichen und anpassungsfähigen
Teil des Menschseins darstellen, die uns helfen, mit vielen
alltäglichen Situationen und Herausforderungen zurechtzukommen, ist
Professor Joseph Paul Forgas von der University of New South Wales
überzeugt.
Negative Emotionen fördern das Denken
Denn
laut Experten fungiert ein wenig schlechte Laune oft als persönliches
Alarmzeichen für den Körper und fördert in schwierigen Situationen
einen aufmerksameren und fokussierteren Denkprozess. Es ist ein
effektiver Weg zur Problemlösung. Negative Gefühle wie Angst, Zorn,
Scham oder Ekel sind tatsächlich nützlich, weil sie uns helfen
bedrohliche oder gefährliche Situationen zu erkennen, zu vermeiden
und zu überwinden, berichtet die Studie. Wut verbessert sogar das
Gedächtnis, stellten die Wissenschaftler fest. Studienteilnehmer
erinnerten sich beispielsweise an ein Geschäft, das sie gerade
verlassen hatten, viel detaillierter schlecht gelaunt als bei guter
Stimmung. Sie stellten auch fest, dass unsere Einschätzungen und
unser Urteilsvermögen weniger getrübt und unsicher sind, wenn wir
uns so richtig von Herzen ärgern. Das bedeutet: Wenn jemand Ihnen
falsche Informationen gibt, ist es weniger wahrscheinlich, dass Sie
das glauben.
Traurigkeit macht kreativ
Diejenigen,
die so richtig sauer sind, neigen dazu, sich in Tests mehr
anzustrengen, Fragen korrekter zu beantworten und andere besser zu
einer bestimmten Meinung überreden zu können. Wenn das nicht genug
ist, um Sie zu überzeugen, dann vielleicht die Tatsache, dass
Traurigkeit lange als Erweiterung künstlerischer Kreativität
angesehen wurde. Darum singen Musiker regelmäßig über das
Scheitern von Beziehungen und missliche Lebenssituationen. Die Studie
richtete sich darauf, den Mythos zu verdrängen, dass Reichtum und
Glück die beiden einfachsten Wege sind, um Zufriedenheit im Leben zu
erreichen. Entgegen dem weit verbreiteten Glauben, dass ständiger
Optimismus auf Dauer nicht unbedingt glücklich macht. „Weil wir
Glücklichsein verherrlichen und die Vorteile von Trübsal leugnen,
setzen wir uns selbst ein unerreichbares Ziel. Das kann auch mehr
Enttäuschung verursachen, manche sagen sogar Depressionen“,
berichtet die Studie.
Ein kurzer „trauriger“ Rückblick
Wenn
wir einige tausend Jahre zurückblicken, wurden Anfälle von
Schwermut – eine Form von negativer Beeinflussung – akzeptiert
und gepflegt. „Viele der großen Werke der westlichen Kunst handeln
vom Wachrufen trauriger Emotionen – in der Literatur und der Musik.
Die Entwicklung der griechischen Tragödien diente demselben Zweck:
einen negativen Einfluss hervorzurufen und das Publikum auf diese
Weise daran zu gewöhnen, unvermeidliche Widrigkeiten im Leben
anzunehmen. Heutzutage liegen die Dinge ein klein wenig anders.
„Als
Ergebnis des mächtigen kommerziellen Drucks von Werbung, Marketing
und Selbsthilfe-Branchen werden wir ständig mit Nachrichten
bombardiert, die uns dauerhafte Freude versprechen,“ erklärt
Psychologie-Professor Joseph Paul Forgas von der University of New
South Wales. „Das ist natürlich nicht wahr und kann sehr schädlich
sein. Wenn man von unablässigem Glücklichsein ausgeht, erscheinen
normale, leicht negative Stimmungen bereits als krankhaft und das
Endergebnis ist, dass viele Menschen depressiv werden.“
Was sind die Vorteile?
Hier
beginnt die Sache interessant zu werden. Wissenschaftler und Forscher
haben erst vor Kurzem angefangen, Traurigkeit zu entschlüsseln und
wie wir auf periodische Anfälle von Traurigkeit reagieren. „Die
meisten negativen Emotionen haben einen klaren, anpassungsfähigen,
evolutionären Zweck. Trotzdem wussten wir lange Zeit nicht, welche
Funktion Traurigkeit hat,“ sagt Forgas. „Erst in den letzten
Jahren haben psychologische Experimente gezeigt, dass leichte,
vorübergehende Stimmungsschwankungen wie ein unbewusstes Alarmsignal
arbeiten.“
Dieses
automatische Signal fördert eine aufmerksamere und detailliertere
Denkweise, was in herausfordernden Situationen eine effektivere
Reaktion ermöglicht.
„In
unserem Labor fanden wir heraus, dass eine leicht negative Stimmung
die Genauigkeit der Erinnerungen verbessert, abwertende Vorurteile
reduziert und für eine effektivere Kommunikation sorgt und Menschen
empfänglicher für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen macht,“ sagt
Forgas.
In
dieser Studie
führte eine durch schlechtes Wetter bedingte miese Laune dazu, dass
die Betroffenen sich besser an das Geschäft erinnerten, das sie
gerade verlassen hatten. Diese Studie zeigte, dass schlechte Stimmung
die Skepsis erhöht und die Fähigkeit Täuschungen zu enttarnen. Zu
guter Letzt stellte diese Studie
fest, dass schlechte Laune die Ausdauer bei einer schwierigen
Denkaufgabe erhöht. „So verhält es sich eigentlich wie mit allen
Gefühlszuständen: auch negative Gefühle dienen einem evolutionären
Zweck,“ berichtet Professor Forgas.
Wann steckt hinter schlechter Laune mehr?
Natürlich
gibt es einen entscheidenden Punkt, an dem vorübergehende Phasen von
Traurigkeit sich verfestigen und zum Dauerzustand werden. Laut Forgas
wird das durch schlecht funktionierende Mechanismen verursacht, die
den angemessenen Umgang mit diesen Gefühlen verhindern.
„Normalerweise sind wir so ausgestattet, dass wir mit
vorübergehenden schlechten Stimmungen umgehen können. Genauer
gesagt, wir werden wachsamer, vorsichtiger und konzentrierter. Doch
wenn diese automatischen Mechanismen nicht ordentlich funktionieren,
können die negativen Gefühlszustände intensiv und dauerhaft
werden,“ erklärt Forgas. „Solche depressiven Zustände können
durch diese automatischen Mechanismen nicht mehr rückgängig gemacht
werden. Das passiert nur, wenn negative Emotionen übermäßig stark
und anhaltend werden. Dann wird es problematisch und erfordert
Hilfe.“
Während
Forgas Forschungen sich auf Erfahrungen mit leichten vorübergehenden
Stimmungsschwankungen konzentriert haben, werfen sie dennoch ein
neues Licht auf die Bedeutung unserer nicht nachlassenden Werbung für
dauerhaftes Glücklichsein als erreichbare Norm. „Es würde uns
weitaus besser gehen mit der Erkenntnis, dass Menschen sich im Laufe
von vielen tausend Jahren entwickelt haben, um eine große Bandbreite
an Gefühlen zu erfahren. Viele davon sind negativ, doch unsere
schwankenden Gefühlszustände existieren aus einem evolutionären
Grund und sollten akzeptiert werden.“
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