Wer
von einer in Australien beheimateten Östlichen Braunschlange
gebissen wird, ist innerhalb einer Stunde tot. Aber ein Eiweiß
dieses tödlichen Gifts kann sogar Leben retten.
Patienten,
die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen müssen, haben ein
erhöhtes Risiko für Blutungen. Das gilt vor allem, wenn es sich
dabei um Gerinnungshemmer der neuesten Generation handelt. Eine
Komponente aus dem tödlichen Gift der Östlichen Braunschlange kann
helfen, die Blutgerinnung wieder in Gang zu bringen.
Schlangengift
hebt die Wirkung der Gerinnungshemmer auf
Das
Gift einer der tödlichsten Schlangen der Welt wird zukünftig
Menschenleben retten müssen. Forscher des medizinischen Zentrums der
niederländischen Universität Leiden verwendeten das Gift der
Östlichen Braunschlange als Inspiration für die Entwicklung eines
neuen Arzneimittels,
das die Wirkung von Blutgerinnungshemmern aufheben kann. Wenn
Patienten, die solche Mittel schlucken, eine große Blutung bekommen
oder akut operiert werden müssen, ist es manchmal schwierig, die
Blutung zu stoppen. Das Gift der Östlichen oder Gewöhnlichen
Braunschlange enthält Substanzen, die das Blut von Säugetieren sehr
stark verklumpen lassen, sogar unter der Wirkung von
gerinnungshemmenden Medikamenten.
Ähnlicher
Gerinnungskomplex
Die
Östliche Braunschlange (Pseudonaja
textilis)
lebt außer in Australien auch in Papua Neuguinea und Indonesien. Ihr
Gift enthält unter anderem zwei Eiweiße, die miteinander verbunden,
die Blutgerinnung fördern. Dieser Eiweißkomplex wirkt als Enzym,
ein Molekül, das bestimmte Reaktionen beschleunigen kann. Es ähnelt
stark dem Gerinnungskomplex bei Säugetieren und Menschen, aber ist
nicht genau gleich. Die molekulare Struktur weicht nur geringfügig
ab.
Der
Gerinnungsfaktor Xa spielt eine zentrale Rolle in diesem komplexen
Prozess der Blutgerinnung. Es ist der Ansatzpunkt einer neuen
Generation von Blutgerinnungshemmern, die sogenannten direkten oralen
Antikoagulanzien, kurz DOAK. Sie binden an den Faktor Xa und
verhindern, dass das Blut gerinnt. So beugen sie beispielsweise einer
Thrombose vor.
Angepasster
Gerinnungsfaktor X
Die
Schleife im Eiweiß des Schlangengiftes verarbeiteten die
Wissenschaftler in einem Molekül des menschlichen Gerinnungsfaktors
Xa. „Es gibt noch kein Mittel, das die Blockade des Faktors Xa
wieder aufheben kann“, sagt Forschungsleiterin Mettine Bos von der
Universität Leiden. „Das einzige was man tun kann ist, dem
Patienten sehr viel Faktor X zu verabreichen, um das Medikament aus
dem Blut zu filtern, oder zu warten, bis das Mittel aus dem Körper
verschwunden ist.“
Laut
Bos haben die Wissenschaftler zufällig entdeckt, dass die
Schlangenvariante des Faktor Xa weitaus weniger gut gebunden wird von
Gerinnungshemmern. Das Schlangenenzym besaß an einer bestimmten
Stelle der Eiweißkette eine lange Schlinge, die den Bindungsrezeptor
für den Gerinnungshemmer abschirmt. Eine gleichartige Schlinge
verarbeiteten sie daraufhin in einem Molekül des menschlichen
Faktors Xa. „Mit dieser kleinen Anpassung haben wir einen
menschlichen Faktor X hergestellt, der ziemlich normal reagiert“,
sagt Bos. „Der sorgt für Gerinnung, wenn es nötig ist, aber nicht
so ungebändigt wie die Schlangenvariante.“
Wichtig bei
Verletzungen und Operationen
„Äußerst
ausgeklügelt“, meint Gefäßspezialistin Saskia Middeldorp vom
medizinischen Zentrum der Universität Amsterdam, die nicht an der
Studie beteiligt war. „Sicher bei sehr ernsten Blutungen, zum
Beispiel im Kopf, möchte man natürlich, dass die Blutgerinnung so
schnell wie möglich wieder in Ordnung ist. Momentan geben wir dann
eine hohe Dosis Gerinnungsfaktoren, oder ein spezifisches, noch
experimentelles Gegenmittel, das aktuell bei blutenden Patienten
erforscht wird. Für das Schlangengift-Xa ist die Anwendung bei
Patienten noch weit weg.“
Geringe
Dosierung erforderlich
Das
Unternehmen VarmX, das vor einem Jahr von Professor Pieter Reitsma
von der Universität Leiden gegründet wurde, entwickelt die
Schlangenvariante weiter zum Arzneimittel. „Wir bereiten Tests an
großen Tiermodellen vor“, sagt Bos. „Danach muss natürlich auch
die Sicherheit beim Menschen getestet werden.“
Das
Mittel soll bereits in niedriger Dosierung wirken, erwartet Bos: „Im
Prinzip ist die Gerinnung wieder in Ordnung, wenn man genauso viel
modifizierten Faktor X gibt als normalerweise im Körper vorhanden
ist; dabei geht es um Milligramm.“
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