Schlechter
Schlaf macht Jugendliche zu Mobbing-Tätern, bei Männern ist eher
Stress am Arbeitsplatz der Grund.
Mobbing
in der mehr oder weniger anonymen Welt des Internets gehört
inzwischen schon zum Alltag. Denn wenn man seinem Gegenüber nicht
direkt in die Augen sehen muss, fällt es leicht, denjenigen zu
demütigen. Doch welche Ursachen führen zu diesem Verhalten, das vor
allem online ausgelebt wird? Belgische Forscher haben sich mit der
Frage beschäftigt und unterschiedliche Gründe festgestellt, je nach
Alter und Geschlecht.
Schlechter
Schlaf lässt Teenager online mobben
Teenager,
die schlecht schlafen, verhalten sich online häufiger aggressiv,
ergab eine Studie
der Universität Antwerpen und der Katholischen Universität Lüttich.
Dass schlechte Schlafqualität allerlei negative Auswirkungen auf
unsere geistigen und körperlichen Funktionen hat, wurde bereits
ausführlich bewiesen, aber nun steht schlechter Schlaf auch in
Verbindung mit Cybermobbing. „Heranwachsende, die schlecht
schlafen, werden öfter wütend. Die Wut scheinen sie im Internet
abzureagieren, in dem sie dort andere mobben,“ erklärt Psychologin
und Studienleiterin Sara Erreygers.
Schlechter
Schlaf macht aggressiv
Wenn
Jugendliche älter werden, gehen sie später schlafen und die
Quantität und Qualität ihres Schlafes nimmt ab. Eine ungenügende
Nachtruhe wirkt sich negativ auf die Funktion des präfrontalen
Cortex aus, dem Teil unseres Gehirns, der eine wesentliche Rolle
spielt, wenn es darum geht, vernünftige, wohlüberlegte
Entscheidungen zu treffen und mit unseren Gefühlen umzugehen.
Infolgedessen hat schlechter Schlaf Auswirkungen auf unser
emotionales und soziales Verhalten. So ist schon länger bekannt,
dass schlechter Schlaf Menschen schneller wütend und feindselig
werden lässt. Außerdem fördert schlechter Schlaf auch aggressives
Verhalten, nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Tieren.
Wut wird
online abreagiert
Die
neue Studie mit mehr als 1.500 Schülern im Alter von etwa 14 Jahren
hat gezeigt, dass schlechte Schlafqualität auch Cybermobbing
begünstigt. Die Schüler wurden gefragt, wie gut sie ein- und
durchschliefen, ob sie morgens gut aus dem Bett kamen und wie oft sie
andere im Internet gemobbt hatten, zum Beispiel durch Drohungen oder
das online stellen peinlicher Fotos oder Videos. Je schlechter die
Schüler schliefen, desto öfter waren sie wütend und mobbten andere
online. Sowohl schlechtere Schlafqualität als auch Cybermobbing
wurden außerdem mit der Nutzung von Computer, Smartphone und Tablet
in Verbindung gebracht, aber selbst wenn man dies berücksichtigte,
blieb der Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf, Wut und
Cybermobbing bestehen.
Abreagieren
ist online einfacher
„Es
könnte durchaus sein, dass Jugendliche ihre Wut online leichter
abreagieren als offline. Wenn wir wütend sind, ist es sicherlich oft
nicht möglich, diese Wut gegenüber der Person zu äußern, die uns
verärgert hat, weil es sich beispielsweise um den Vorgesetzten oder
den Lehrer handelt oder weil die Person in diesem Moment nicht
anwesend ist. Wir reagieren unsere Wut dann oft an anderen Menschen
ab, ein Phänomen, das wir als „verschobene Aggression“
bezeichnen. Online wütend auf jemand anderen zu werden ist noch viel
einfacher als offline, denn das Internet ist sieben Tage die Woche
und 24 Stunden am Tag verfügbar. Wir können uns völlig anonym
ausleben und es gibt wenig Kontrolle über unser Verhalten“, sagt
Sara Erreygers.
Stärkung der
sozialen und emotionalen Kompetenzen
Die
Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Nutzung digitaler Medien nicht
nur Einfluss auf die Schlafqualität hat, sondern dass die
Schlafqualität wiederum auch Einfluss darauf hat, wie sich
Jugendliche über diese digitalen Medien gegenüber anderen
verhalten. „Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafqualität bei
Jugendlichen könnten daher auch in Anti-Mobbingkampagnen aufgenommen
werden,“ sagt Sara Erreygers. „Darüber hinaus ist es auch
wichtig, Jugendlichen beizubringen, wie sie mit ihrem Ärger und
anderen Gefühlen richtig umgehen, ohne sich (online) an anderen
abzureagieren“, fügt Erreygers hinzu. „Die Stärkung der
sozialen und emotionalen Fähigkeiten von Jugendlichen ist
unerlässlich, um Probleme wie Cybermobbing grundlegend anzugehen.“
Aber
nicht nur Jugendliche werden online schnell zu Mobbing-Tätern, auch
erwachsene Männer, die beruflichen Stress erleben, neigen dazu,
andere in der Online-Welt zu demütigen.
Stress am
Arbeitsplatz lässt Männer online mobben
Nicht
nur ein paar unruhige Nächte fördern Online-Mobbing. Nach einem
harten Arbeitstag leben Männer ebenfalls gerne ihren Frust im
Internet aus. An Tagen, an denen Männer viel Stress am Arbeitsplatz
erleben, fühlen sie sich mehr verärgert und reagieren sich durch
negatives Verhalten im Internet ab, ergaben die Forschungen. „Während
Männer das Internet als Ventil für ihre negativen Gefühle wählen,
suchen Frauen eher Unterstützung bei ihrem Partner oder bei
Freunden“, erklärt Arbeitspsychologin und Studienleiterin Ivana
Vranjes.
Für
die Studie
wurden 90 Doppelverdiener eine Woche lang zweimal täglich über
Stress am Arbeitsplatz befragt. Ob sie beispielsweise Leistungsdruck
erlebt hatten oder Streit mit Kollegen. Zudem sollten sie angeben,
wie sie sich bei der Rückkehr nach Hause fühlten und welche
Reaktionen sie im Verlauf des Abends online gestellt hatten, zum
Beispiel negative Kommentare oder positiven Zuspruch.
An
den Tagen mit viel Stress am Arbeitsplatz, kehrten sowohl Frauen als
auch Männer verärgerter nach Hause zurück. Auffallend ist, dass
Männer sich dann online aggressiver äußerten. Männer, die wütend
nach Hause kamen, berichteten über mehr negative Aktionen im
Internet, wie das Ausschließen oder Beleidigen anderer, das Posten
negativer Kommentare und das Weiterleiten peinlicher Fotos und
Videos.
Online
weniger Hemmungen
„Weil
wir durchweg viel Wert auf unsere Arbeit und den Erhalt unseres
Arbeitsplatzes legen, erscheint es uns manchmal besser, Frustrationen
durch Arbeit, Kollegen oder Vorgesetzte nicht unmittelbar am
Arbeitsplatz zu äußern. Das Internet kann dabei für manche einen
Ausweg bieten. Online sind wir nicht immer direkt sichtbar und fühlen
uns oft weniger gehemmt in unserem Verhalten. Mit anderen Worten,
online fühlen wir uns sicherer, wenn wir unsere Frustrationen
ausleben und das scheint mehr bei Männern als bei Frauen der Fall zu
sein“, erklärt Ivana Vranjes.
Die
Ergebnisse stimmen mit früheren Forschungen überein, die gezeigt
haben, dass Frauen in stressigen Situationen häufiger Unterstützung
bei Partner oder Freunden suchen, während Männer ihre Gefühle mehr
in sich hineinfressen, was wiederum auf lange Sicht aggressives
Verhalten provoziert. Es ist daher möglich, dass Männer ihren Ärger
gegenüber Kollegen oder Familienmitgliedern unterdrücken, ihn aber
dann online weitergeben.
„Diese
Studie verdeutlicht den Einfluss, den die Arbeit auf unser tägliches
Funktionieren und sogar auf unser Verhalten zu Hause haben kann.
Darum ist es wichtig, der Förderung einer gesunden Arbeitsumgebung
genügend Aufmerksamkeit zu widmen. Darüber hinaus ist es auch
angebracht, den Menschen beizubringen, wie sie mit negativen Gefühlen
umgehen sollen, um zu verhindern, dass sie sich online zum Beispiel
durch Mobbing abreagieren“, erklärt Vranjes.
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