Kalorienzählen führt beim
Abnehmen nicht unbedingt zum Erfolg. Wichtiger sind die Herkunft der
Kalorien und die Wahl der Nahrungsmittel.
Einer
der hartnäckigsten und schädlichsten Ernährungsmythen ist die
Vorstellung, dass Kalorien das Wichtigste sind, worauf man bei der
Ernährung achten sollte und dass die Herkunft der Kalorien keine
Rolle spielt. „Eine Kalorie ist eine Kalorie, Ende und aus“, so
heißt es. Egal, ob Sie nun 100 Kalorien aus Schokolade oder aus
Brokkoli essen, die Wirkung auf das Gewicht bleibt gleich. Es stimmt,
dass alle Kalorien die gleiche Menge an Energie darstellen. Eine
Nahrungskalorie enthält 4.184 Joule an Energie. In dem Sinn ist eine
Kalorie tatsächlich eine Kalorie. Aber wenn es darum geht, was im
Körper passiert, ist die Sache komplizierter. Verschiedene Arten von
Nahrung durchlaufen unterschiedliche biochemische Prozesse, die nicht
alle gleich effizient sind, wodurch Energie (Kalorien) als Wärme
verloren geht.
Noch
wichtiger ist, dass unterschiedliche Lebensmittel und Makronährstoffe
die Hormone und Hirnregionen stark beeinflussen, die Hunger,
Sättigung und Essverhalten steuern. Die Nahrung, die Sie zu sich
nehmen, kann vor allem die biologischen Prozesse verändern, die
regeln, wann, was und wie viel Sie essen. Nachfolgend finden Sie
sechs Beispiele, die zeigen, dass eine Kalorie nicht gleich Kalorie
ist.
Fruktose gegen Glukose
Die
beiden wichtigsten Einfachzucker in der Ernährung sind Fruktose
und Glukose. Pro Gramm liefern diese beiden Zuckerarten die gleiche
Menge an Kalorien. Aber die Art und Weise, wie der Körper sie
verarbeitet, ist völlig anders. Glukose kann von allen Körperzellen
umgewandelt werden, wohingegen Fruktose nur von der Leber in größerem
Umfang umgewandelt werden kann. Hier einige Gründe, warum Kalorien
aus Glukose und Fruktose nicht gleich sind:
- Grhelin ist das Hungerhormon. Der Spiegel dieses Hormons steigt, wenn man Hunger hat und sinkt, nachdem man gegessen hat. Einige Studien zeigen, dass Fruktose für höhere Grhelin-Spiegel im Körper sorgt als Glukose – und somit auch für mehr Hunger. Fruktose stimuliert das Sättigungszentrum im Gehirn nicht auf dieselbe Weise wie Glukose, was dazu führt, dass man sich nicht so schnell satt fühlt.
- Viel Fruktose kann – verglichen mit derselben Kalorienmenge aus Glukose – zu Insulinresistenz, Fettspeicherung am Bauch, erhöhten Triglyceriden, erhöhtem Blutzucker und kleinen, kompakten LDL-Cholesterinmolekülen führen.
Das
zeigt, dass dieselbe Menge an Kalorien völlig andere Auswirkungen
auf Hunger, Hormone und einen gesunden Stoffwechsel hat. Es ist viel
zu einfach, um Nährstoffe nur anhand der Kalorienmenge, die sie
liefern, einzuteilen. Man muss allerdings auch erwähnen, dass
Fruktose nur dann negative Auswirkungen hat, wenn man zu viel davon
isst. Zuckerzusätze und Süßigkeiten sind dafür die Hauptquellen
in der Ernährung. Das sollte auch in keinem Fall dazu führen,
weniger Obst zu essen. Obwohl Früchte Fruktose enthalten, sind sie
reich an Ballaststoffen und Wasser und müssen gut gekaut werden, was
die negativen Auswirkungen von Fruktose mildert.
Die thermische Wirkung von
Nahrungsmitteln
Verschiedene
Arten von Nahrungsmitteln durchlaufen unterschiedliche
Stoffwechselprozesse. Dabei sind einige effizienter als andere. Je
effizienter ein Stoffwechselprozess ist, desto mehr Energie aus der
Nahrung wird für die Körperfunktionen genutzt und desto weniger
Energie verliert man als Wärme. Die Verstoffwechselung von Eiweiß
funktioniert weniger effektiv als für Kohlenhydrate und Fette.
Eiweiß enthält vier Kalorien pro Gramm, wovon ein großer Teil als
Wärme verloren geht, wenn die Proteine im Körper umgewandelt
werden. Die thermische Wirkung von Nahrungsmitteln gibt an, wie
unterschiedliche Nahrungsmittel den Energieverbrauch erhöhen, weil
für die Verdauung, Aufnahme und Verbrennung der Nährstoffe selbst
Energie benötigt wird. Das ist die thermische Wirkung der
verschiedenen Makronährstoffe:
- Fette: 2 bis 3 Prozent
- Kohlenhydrate: 6 bis 8 Prozent
- Eiweiß: 25 bis 30 Prozent
Die
Quellen unterscheiden sich in Bezug auf die genauen Mengen, aber klar
ist, dass Proteine viel mehr Energie benötigen, um verbrannt zu
werden, als Fette und Kohlenhydrate. Wenn man von einem thermischen
Effekt von 25 Prozent für Eiweiß und zwei Prozent für Fett
ausgeht, würde das bedeuten, dass von 100 Kalorien an Eiweiß nur 75
Kalorien aufgenommen werden, während von 100 Kalorien an Fett 98 im
Körper landen. Studien zeigen, dass eiweißreiche Diäten die
Energieverbrennung um 80 bis 100 Kalorien pro Tag erhöhen,
verglichen mit einer eiweißarmen Ernährung. Einfach ausgedrückt
bedeutet das, dass eine eiweißreiche Diät einen Vorteil für den
Stoffwechsel bedeutet.
Eiweiß bremst den Hunger und das
Essverhalten
Die
Protein-Geschichte hat aber noch mehr zu bieten. Eiweiß
führt zu einer deutlichen Verringerung des Appetits, so dass man
automatisch weniger Kalorien zu sich nimmt. Studien zeigen, dass
Eiweiß mit Abstand der am meisten sättigende Makronährstoff ist.
Wenn Sie mehr Eiweiß essen, beginnen Sie abzunehmen, ohne sich um
Kalorien zu kümmern oder die Portionen zu überwachen. Der Fettabbau
erfolgt mit Eiweiß automatisch. Eine Studie ergab, dass Menschen,
die ihre Proteinzufuhr auf 30 Prozent der Gesamtkalorien erhöhten,
automatisch durchschnittlich 441 Kalorien weniger pro Tag aßen und
in drei Monaten 4,9 Kilogramm abnahmen.
Wenn
Sie keine Diät machen, aber trotzdem Ihren Stoffwechsel optimal
ankurbeln wollen, ist mehr Eiweiß essen der einfachste und leckerste
Weg, um automatisch Gewicht zu verlieren. Es ist sehr deutlich, dass
eine Kalorie aus Eiweiß in Bezug auf den Stoffwechsel und die
Appetitkontrolle nicht gleichbedeutend ist mit einer Kalorie aus Fett
oder Kohlenhydraten.
Der Sättigungsindex
Jede
Art von Nahrung hat unterschiedlichen Einfluss auf das
Sättigungsgefühl. Das bedeutet, dass manche Nahrungsmittel mehr
Sättigungsgefühl geben als andere. Bei manchen Lebensmitteln neigen
wir auch eher dazu, davon zu viel zu essen als bei anderen. Zum
Beispiel ist es ganz einfach, eine Portion Eis mit 500 Kalorien zu
essen. Wenn Sie die gleiche Menge an Kalorien aus Brokkoli oder Eiern
essen wollen, wird Ihnen das bestimmt Schwierigkeiten bereiten. Das
ist ein Beispiel dafür, wie viel Einfluss die Nahrungsauswahl auf
die Gesamtzahl der Kalorien hat, die Sie schließlich essen. Viele
Faktoren beeinflussen den Sättigungswert von Lebensmitteln. Dieser
Wert wird auf einer Skala angezeigt, die als Sättigungsindex (engl.
satiety index) bezeichnet wird. Der Sättigungsindex gibt an, wie
stark Nahrungsmittel für mehrere Stunden den Hunger und damit die
Kalorienaufnahme reduzieren und das Sättigungsgefühl erhöhen. Wenn
Sie Nahrungsmittel mit einem niedrigen Sättigungsindex essen, werden
Sie mehr Hunger verspüren und schließlich mehr essen. Wenn Sie sich
für Lebensmittel mit einem hohen Sättigungsindex entscheiden,
werden Sie letztendlich weniger essen und Gewicht verlieren.
Beispiele für Lebensmittel mit hohem Sättigungsindex sind gekochte
Kartoffeln, Rindfleisch, Eier, Hülsenfrüchte und Obst. Beispiele
für Lebensmittel, die weniger lange sättigen, sind Kuchen und
Gebäck. Natürlich macht es einen erheblichen Unterschied in der
Energiebilanz, ob Sie sich für Nahrung entscheiden, die lange satt
macht.
Kohlenhydratarme Ernährung senkt
automatisch die Kalorienaufnahme
Seit
2002 haben mehr als 20 randomisierte kontrollierte Studien
kohlenhydratarme und fettarme Diäten verglichen. Die Ergebnisse
deuten konsequent darauf hin, dass Low-Carb
zu mehr Gewichtsverlust führt als fettarme Diäten, oft sogar zwei-
bis dreimal so viel. Einer der wichtigsten Gründe ist, dass eine
kohlenhydratarme Ernährung zu einem drastischen Rückgang des
Appetits führt. Man fängt ohne große Anstrengung an, weniger
Kalorien zu essen. Studien haben ergeben, dass selbst bei gleicher
Kalorienmenge Testpersonen in der Low-Carb-Gruppe meist mehr Gewicht
verlieren, obwohl das Ergebnis nicht immer statistisch bedeutsam ist.
Die Hauptursache dafür ist wohl, dass kohlenhydratarme Diäten auch
den Körper entwässern. Ein Überschuss an Flüssigkeit verschwindet
in der Regel in den ersten zwei Wochen aus dem Körper. Darüber
hinaus enthalten kohlenhydratarme Diäten meist mehr Eiweiß als
fettarme Diäten. Die Verbrennung von Eiweiß benötigt mehr Energie
und der Körper verbraucht Energie für die Umwandlung von Eiweiß in
Glukose.
Der glykämische Index
Es
herrscht viel Uneinigkeit unter Ernährungswissenschaftlern, aber
eines der wenigen Dinge, bei denen sich die meisten einig sind, ist,
dass raffinierte Kohlenhydrate ungesund sind. Dazu gehören
zugesetzte Zuckerarten wie Saccharose und Glukose-Fruktose-Sirup
(HFCS, Maissirup) und raffinierte Getreideprodukte wie Weißbrot.
Raffinierte Kohlenhydrate enthalten in der Regel wenig Ballaststoffe
und werden schnell verdaut und aufgenommen, was den Blutzucker
schnell in die Höhe treibt. Sie haben einen hohen glykämischen
Index (GI), wobei der GI das Maß dafür ist, wie schnell ein
Lebensmittel den Blutzuckerspiegel erhöht. Wenn Sie etwas essen, was
den Blutzuckerspiegel schnell steigen lässt, führt das einige
Stunden später oft zu einem drastischen Abfall des Blutzuckers. Wenn
das passiert, bekommt man Heißhunger und ein enormes Verlangen nach
einem weiteren kohlenhydratreichen Snack. Das wird auch als
„Blutzucker-Achterbahn“ bezeichnet. In einer Studie erhielten die
Teilnehmer identische Milchshakes, außer dass der eine einen hohen
GI und der andere einen niedrigen GI hatte. Der Milchshake mit hohem
GI verursachte mehr Hunger und Heißhunger als der Milchshake mit
niedrigem GI. Eine andere Studie ergab, dass Teenager während einer
Mahlzeit mit hohem glykämischen Index 81 Prozent mehr Kalorien aßen
als während einer Mahlzeit mit niedrigem GI.
Die
Geschwindigkeit, mit der Kalorien aus Kohlenhydraten in den Körper
gelangen, kann daher eine dramatische Wirkung haben, da dies zu
übermäßigem Essen und Gewichtszunahme führen kann. Wenn Sie
kohlenhydratreich essen, ist es wichtig, um volle, unverarbeitete
Kohlenhydratquellen mit vielen Ballaststoffen
zu wählen. Die Ballaststoffe sorgen für eine langsamere Aufnahme
der Glukose im Körper. Forschungen
zeigen immer wieder an, dass Menschen, die am häufigsten
Lebensmittel mit hohem glykämischen Index essen, das höchste Risiko
für Fettleibigkeit und Diabetes haben. Das liegt eben daran, dass
nicht alle Kalorien aus Kohlenhydraten im Körper auf dieselbe Weise
verarbeitet werden.
Das Fazit
Je
nach Herkunft der Kalorien wirken sie sehr unterschiedlich auf
Hungergefühl, Hormone, Energieverbrauch und die Hirnregionen, die
den Appetit regulieren. Kalorien sind zwar wichtig, aber es ist nicht
nötig, sie ständig zu zählen oder darüber nachzudenken, wenn man
abnehmen will. In vielen Fällen führt einfach eine andere Auswahl
der Nahrungsmittel zum selben oder sogar besseren Ergebnis als die
Begrenzung der Kalorienzufuhr.
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