Montag, 22. November 2021

Manche Nährstoffe wirken fast wie Medikamente



Zu dieser überraschenden Schlussfolgerung kommen niederländische Forscher. Sie untersuchten die Rezeptoren, an die Nährstoffe binden und fanden Übereinstimmungen mit Medikamenten.

 

Die Regale in den Supermärkten liegen voll mit Nahrungsmitteln. Aber wir wissen alle, dass nicht alles davon gleich gesund ist. So isst man natürlich besser Obst und Gemüse statt Keksen und Chips. Und eine mediterrane Ernährung schlägt natürlich deutlich eine Ernährung mit viel Fast Food. Aber wie tragen gesunde Nahrungsmittel nun genau zu einer guten Gesundheit bei? Überraschend genug, weiß man das für viele Nährstoffe noch nicht genau. Es setzt nämlich voraus, dass man untersucht, wie Nährstoffe die Funktion unserer Zellen beeinflussen.

Nährstoffe binden sich an bestimmte Rezeptoren

Wissenschaftler der Universität Utrecht haben sich damit beschäftigt und das führte zu einem überraschenden Schluss. Die Forscher stellten in ihrer Studie fest, dass manche Nährstoffe sehr gezielt an bestimmte Rezeptoren bestimmter Abwehrzellen binden, genau wie Medikamente das machen. Dass Nährstoffe so gezielt die Prozesse in Zellen in eine positive Richtung lenken können, ist sehr überraschend.

Die Forscher basieren ihre Schlussfolgerung auf einer ausführlichen Literaturstudie. Dabei bezogen sie mehr als 200 Studien ein, die die Wirkweise von Nährstoffen auf unsere Körperzellen erforscht hatten. Der Fokus lag dabei auf der Art und Weise, wie Nährstoffe sich an die Rezeptoren von Zellen binden und auf diese Weise die Reaktionen des Immunsystems beeinflussen. Die Forscher untersuchten 15 verschiedene Zellrezeptoren, an die unterschiedliche Nährstoffe - von Vitaminen bis zu ungesättigten Fettsäuren und Ballaststoffen - andockten.

Vitamin D

Einer der Rezeptoren, der in der Forschung auftaucht, ist der sogenannte Vitamin-D-Rezeptor. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um einen Rezeptor, an den das bekannte Vitamin D binden kann. Vitamin D ist zum Beispiel in fettem Fisch - wie Lachs und Makrele -, Fleisch und Eiern enthalten. Der Vitamin-D-Rezeptor befindet sich auf vielen Immunzellen. Und wenn Vitamin D über diesen Rezeptor an die Zellen bindet, hat das eine Wirkung auf das Immunsystem. Diese Wirkung ist zweigleisig. Einerseits werden die Entzündungsstoffe reduziert. Zum anderen wird das Wachstum der sogenannten Killerzellen - weiße Blutkörperchen, die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Krankheitserregern spielen - gefördert. So kann sich dieser Nährstoff sehr positiv auf die Gesundheit auswirken, zum Beispiel bei Lungenkrankheiten wie Covid-19. Und was für Pharmakologen so bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass Nährstoffe wie Vitamin D genauso spezifisch an unsere Zellen binden wie Medikamente. Denn auch Arzneimittel binden sich über Rezeptoren an Zellen, um bestimmte Reaktionen zu hemmen oder hervorzurufen.

Brei mit typischen medizinischen Wirkungen

Das bedeutet, dass die Wirkung von medizinischen Nährstoffen wie Vitamin D der Wirkung von Medikamenten sehr ähnlich ist. Für viele Ernährungswissenschaftler ist das vielleicht nichts Neues. Aber in der Pharmakologie wird Nahrung noch nicht auf diese Weise betrachtet. Pharmakologen sehen Nahrung immer noch häufig als einen Brei verschiedener Nährstoffe, die alle unterschiedlich wirken. Was die Wissenschaftler nun aber zeigen, ist, dass verschiedene Nährstoffe bestimmte medizinische Wirkungen haben können.

Diät plus Medikamente

Die Forscher hoffen, dass dies auch in der Pharmakologie mehr Beachtung findet und schließlich zu besseren weniger eingreifenden Behandlungen von Volkskrankheiten wie Diabetes, Herz- und Lungenerkrankungen und Krebs führen, bei denen chronische Entzündungsreaktionen eine wichtige Rolle spielen. Das heißt nicht, dass alle Medikamente nun weggeworfen werden können. Schließlich hat die Studie nur die rezeptorbezogenen Mechanismen untersucht. Und Medikamente haben noch vielfältigere Wirkungen. Die Forscher plädieren jedoch dafür, dass Ärzte bei der Behandlung ihrer Patienten stärker auf die Möglichkeiten der Ernährung achten. Ärzte sollten ohnehin mehr mit Ernährungswissenschaftlern zusammenarbeiten und Krankheiten nicht nur mit Medikamenten behandeln. Sicherlich kann im Frühstadium mancher Krankheiten auch eine Ernährungsumstellung - eventuell in Kombination mit Medikamenten - helfen. In diesem Fall sind vielleicht auch weniger Medikamente nötig, die oft mit Nebenwirkungen verbunden sind.

Welche Nahrung gegen welche Krankheiten?

Die Kernfrage ist natürlich, welche Nährstoffe eingesetzt werden können im Kampf gegen verschiedene Erkrankungen. Das erfordert allerdings noch etwas mehr Forschungen. Vor allem klinische Forschungen am Menschen. Die Wissenschaftler untersuchten zum Beispiel was auf der zellulären Ebene passiert, aber es sind mehr klinische Studien nötig, bei denen man im Körper untersucht, was Nährstoffe machen und dann auch mit der Wirkung von Medikamenten vergleicht oder einer Kombination aus beidem. Es wäre natürlich wunderbar, wenn dabei eine maßgeschneiderte Diät für Krankheiten herauskäme. Damit ein Arzt sagen kann: Bei einer Darmentzündung sollten sie am besten das essen. Und bei dieser Krebsart sollten Sie am besten jenes essen. Das setzt allerdings voraus, dass man nicht nur die Krankheit betrachtet, sondern auch den Patienten. Denn jeder Mensch ist anders und jedes Immunsystem ist anders. Und daran muss man die Diät anpassen.

Diät nach Maß je nach Krankheitsbild

Solch eine Diät nach Maß beginnt natürlich mit der Erforschung der genauen Wirkmechanismen von Nährstoffen und einem guten Wissen über die zu bekämpfende Krankheit. Man kann zum Beispiel aufspüren, welche Immunreaktion an einer bestimmten Krankheit beteiligt ist. Dann findet man heraus, welche Zellrezeptoren dafür verantwortlich sind. Und wenn man diesen Rezeptor kennt, kann man auch feststellen, welche Nährstoffe auf ihn wirken. Es ist ein enormes Puzzle. Aber eines, das sich lohnt. Die Ernährung kann ergänzend zu Medikamenten, aber auch vorbeugend eingesetzt werden.

Sind „Nahrungsmittelapotheken“ die Zukunft?

Die Anerkennung der Heilkraft von Nahrung ist zweifellos von großem Nutzen. Und wenn es nach den Forschern geht, werden die Patienten in Zukunft in den Genuss dieser gesundheitlichen Vorteile kommen, und zwar auf eine leicht zugängliche Weise. Die Forscher hoffen, dass es eines Tages „Nahrungsmittelapotheken“ geben wird: Orte, an die sich Patienten mit ihren Beschwerden wenden können und an denen medizinisch geschulte Fachleute sie über die beste Ernährung für ihre Beschwerden beraten. Denn die Menschen wollen ihre Ernährung zwar umstellen, aber wissen meist nicht, wie oder an wen sie sich wenden können. In einer „Nahrungsmittelapotheke“ würde alles zusammenkommen. Es wäre ein Ort, an dem Krankheitsbilder und Immunreaktionen untersucht werden und die Patienten dann zusätzlich zu den notwendigen Medikamenten eine maßgeschneiderte Ernährungsberatung erhalten können.

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