Fast jeder schätzt Ehrlichkeit besonders hoch ein. Aber inzwischen lügen wir lustig drauf los. Laut Forschungen sogar etwa ein Drittel der Zeit, die wir mit anderen Menschen verbringen. Aber warum? Und wie können wir ehrlicher sein?
Immer die Wahrheit sagen und nichts als die Wahrheit? Das macht kein Mensch. Dies sind drei Lügen, derer sich jeder schuldig macht. Aber wie geht es anders?
Lüge 1: die Notlüge
Die Lüge: „Es ist wahrscheinlich nicht so schlimm“, beruhigen Sie Ihren Bruder, nachdem er sich mit einem Druckgefühl auf der Brust und Kurzatmigkeit in der Notaufnahme gemeldet hat. „Der Nachbar kam letztens mit den gleichen Symptomen ins Krankenhaus und durfte gleich wieder nach Hause.“ Dass der Nachbar zurückkommen muss für allerlei Nachuntersuchungen, weil der Arzt besorgt war, verschweigen Sie vorsichtshalber.
Warum tun wir das? Manchmal glaubt man zu wissen, was für andere Menschen am besten ist. Weil Sie davon ausgehen, dass Ihrem Bruder im Moment mehr eine beruhigende Reaktion als die harte Wahrheit nützen, verdrehen Sie die Tatsachen. Und tatsächlich bevorzugen manche Menschen das. In einer Studie mit Ärzten und Patienten fand die Verhaltensforscherin Emma Levine von der Universität Chicago heraus, dass kranke Menschen manchmal falsche Hoffnungen überhaupt nicht schlimm fanden. Sie hörten lieber eine aufmunternde Botschaft, als zu erfahren, wie die Dinge wirklich lagen.
Wie geht es anders? Das Letzte gilt allerdings nicht für jeden. Laut der Verhaltensforscherin Levine ist es daher wichtig, sich genau zu überlegen, was die andere Person will: eine Lüge oder lieber die Wahrheit? Nur wenn man sicher weiß, dass der andere in diesem Moment lieber durch eine rosarote Brille schaut, kann man es sich leisten, ihm zuliebe zu lügen.
Lüge 2: Die Wahrheit beschönigen für Familie und Freunde
Die Lüge: „Aber nein“, hören Sie sich selbst zu Ihrer Mutter sagen, „ich glaube nicht, dass du irgendwelche Fehler in der Erziehung gemacht hast.“ Gleichzeitig liegen Sie seit Monaten auf der Couch beim Psychiater und sprechen über die emotionale Abwesenheit Ihrer Eltern in Ihrer Kindheit.
Warum tun wir das? Taya Cohen, Professorin für Organisationsverhalten an der Carnegie Mellon Universität, erteilte guten Freunden und Paaren den Auftrag, um sich gegenseitig bestimmte Fragen zu stellen. Sie mussten versprechen grundehrlich zu antworten. Äußerst beängstigend fanden die Teilnehmer das. Denn sie fürchteten, dass das Gegenüber sie nach den Enthüllungen nicht mehr mögen würde. Dennoch waren die meisten Versuchspersonen letztlich froh, an dem Experiment teilgenommen zu haben. Erstens, weil die Offenbarung ihrer Seelengeheimnisse ihnen ein Gefühl der Befreiung gab. Aber auch, weil die andere Person in der Regel ganz anders auf ihre Ehrlichkeit reagierte, als es vorher vorausgesagt wurde.
Wie geht es anders? Sie denken vielleicht, dass die Wahrheit der Beziehung schadet. Und dass Sie andere verletzen, indem Sie mit offenen Karten spielen. Cohen kam jedoch zu dem Schluss, dass man so oft die Chance verpasst in Kontakt zu treten und die Bindung zu verbessern. Vor allem, wenn Sie positiv, mitfühlend und einfühlsam reagieren und nicht böse und beschuldigend, blühen Beziehungen in der Regel durch Offenheit auf.
Lüge 3: Eigene Gefühle vor dem anderen verbergen
Die Lüge: „Ich? Gefühle für meinen Kollegen? Wie kommst du denn darauf?“ Mit einem fast höhnischen Lachen versuchen Sie, den Verdacht Ihrer Untreue gegenüber Ihrem Partner auszuräumen. Obwohl schon wochenlang Flirt-Whatsapps hin und her gingen und hungrige Blicke an der Kaffeemaschine ausgetauscht wurden.
Warum tun wir das? In einer Studie der Psychologieprofessorin Anne Gordon von der Bowling Green State University schüttelten die Teilnehmer, die ihre Liebsten belogen hatten, dafür 206 Gründe aus dem Ärmel. Schuldgefühle gehörten ebenso zu den Motiven wie Angst, den anderen zu verletzen, oder auch Furcht vor negativen Konsequenzen. Eigennutz, Bequemlichkeit, Selbstschutz und Egoismus wurden ebenfalls genannt, genauso wie die Überzeugung, dass der andere selbst schuld war oder die Lüge provoziert hatte. Dennoch waren die meisten Lügner jedoch der Meinung, dass sie mit den besten Absichten unehrlich waren.
Wie geht es anders? Damit waren diejenigen, die belogen worden waren, allerdings nicht einverstanden. Sie fühlten sich nämlich wütend und verletzt. Trotzdem ist alles zu erzählen, nicht immer die beste Lösung, sind Psychotherapeuten überzeugt. Sie empfehlen, sich zunächst Gedanken darüber zu machen, wie die Wahrheit auf die andere Person wirken wird. Wenn Sie vor allem etwas beichten wollen, damit Sie diese Last nicht mehr tragen müssen, ist das nicht unbedingt ein guter Grund. Aber wenn Sie etwas mit liebevollen Absichten mitteilen wollen, zum Beispiel dass es Redebedarf gibt, weil die Beziehung einzuschlafen droht und das vielleicht Konsequenzen hat, dann ist das natürlich ein guter Grund.
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