Montag, 27. Februar 2023

Darum können selbst harmlose Alltagsgeräusche „ohrenbetäubend“ sein



Nervt Sie der lärmende Nachbar? Darum empfinden manche Menschen selbst harmlose Alltagsgeräusche als „ohrenbetäubend“.

 

Selbst wenn der Nachbar auf Socken läuft, sind Sie von dem „Getrampel“ völlig genervt. Aber keine Sorge, denn ein besseres Verständnis für solche unerwünschten Geräusche kann vielleicht in Zukunft dazu führen, dass weniger hellhörige Häuser gebaut werden.

Geräusche können zu Gesundheitsproblemen führen

Wenn Sie sich regelmäßig über die Geräusche des Nachbarn ärgern, sind Sie sicher nicht der Einzige. Viele Menschen empfinden die Geräusche der Nachbarn - vor allem in der Wohnung darüber - als störend. Das kann sehr weitreichende Folgen haben und sogar zu Herz-Kreislauf-Problemen und Schlafstörungen führen. In einer neuen Studie haben Forscher versucht zu verstehen, welche Geräusche am meisten stören. Das könnte Architekten und Bauherren dabei helfen, weniger hellhörige Häuser zu entwerfen.

Problem für die Gesundheit Bevölkerung

Lärmbelästigung durch Nachbarn ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ein großes Problem für die öffentliche Gesundheit. Und nein, das ist keine Übertreibung. Es ist zum Beispiel bekannt, dass Lärm sehr negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden hat. Und deshalb nimmt die Besorgnis zu. „Mehrere Studien haben gezeigt, dass Ärger die unmittelbare Reaktion auf Lärm ist“, erklären die Wissenschaftler. „Das kann dann zu mehr Stress und einer Veränderung des Schlafverhaltens führen, was wiederum zu einem erhöhten Blutdruck oder einem erhöhten Herzschlag führen kann. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Lärmbelästigung besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Senioren und Kinder betrifft. Kurzum, Lärm sollte nicht nur als Belästigung, sondern als Problem der Volksgesundheit betrachtet werden.“

Arbeiten im Home Office

Lärmbelästigung gab es schon immer. Doch mit der zunehmenden Bevölkerungsdichte in städtischen Gebieten und der Zunahme von Heimarbeit während der Corona-Pandemie hat das Thema an Aktualität gewonnen. „Viele Menschen arbeiteten während der Pandemie von zu Hause aus und tun es noch immer“, meinen die Forscher. „Und viele dieser Arbeitnehmer berichteten, dass die Lärmbelästigung durch Nachbarn die Konzentration auf die Arbeit negativ beeinflusste.“

Studie mit unterschiedlichen Geräuschen

In einer neuen Studie führten die Forscher einige Experimente und Online-Umfragen durch, um besser zu verstehen, welche Geräusche genau störend sind und warum. Sie sorgten für eine wohnzimmerähnliche Situation und spielten dann Geräusche ab, die von fallenden Gegenständen bis zu Schritten reichten, um die empfundene Belästigung durch einen lauten Nachbarn zu simulieren und zu messen. Zusätzlich zu diesen Experimenten erstellte das Team auch eine Online-Umfrage, um die Stichprobe zu erweitern.

Irritierende Geräusche

Man könnte meinen, dass ein Nachbar, dessen Fernseher oder Radio gerade ein wenig zu laut ist, am meisten stört. Doch die Forscher kommen zu einem anderen Schluss. „In vielen Ländern haben sich die Bauvorschriften so weit verbessert, dass die Übertragung von Geräuschen über die Luft (z.B. Gespräche, Fernsehen oder Musik) in neuen Wohnsiedlungen oder -komplexen recht gut gedämpft wird“, berichten die Forscher. Und so scheinen die Menschen am meisten durch Kontaktgeräusche gestört zu werden, bei denen die Wohnung direkt durch eine Schallquelle in Schwingung versetzt wird. Denken Sie dabei an einen Nachbarn, der durch seine Wohnung läuft oder aus Versehen etwas fallenlässt. „Wir haben festgestellt,dass niedrigfrequente, dumpfe Geräusche am meisten stören“, sagen die Wissenschaftler. Und sie können das auch erklären. „Kontaktgeräusche sind im Gegensatz zu Luftgeräuschen nicht so ausführlich untersucht worden“, erzählen die Wissenschaftler. „Daher werden sie auch nicht so gut in Bauvorschriften kontrolliert oder geregelt. Das bedeutet, dass Häuser relativ gut gegen Luftschallwellen geschützt sind, aber nicht gegen Kontaktgeräusche. Das ist vielleicht der Grund, warum Kontaktgeräusche den Bewohnern mehr auffallen.“

Kontaktgeräusche sind besonders störend

Außerdem sind Kontaktgeräusche vielfältig und kurz und erregen die Aufmerksamkeit eines unbeabsichtigten Zuhörers stärker als kontinuierliche Geräusche wie Musik oder Sprache. Das könnte der Grund sein, warum sie als störender empfunden werden. „Man kann das mit dem Schnarchen vergleichen“, sagen die Forscher. „Auch wenn jemand sehr leise schnarcht, kann das dennoch sehr störend sein. Zahlreiche internationale Studien haben gezeigt, dass Kontaktgeräusche, wie Schritte, Springen oder fallende Gegenstände, in Mehrfamilienhäusern als besonders störend empfunden werden.“

Kontaktgeräusche beim Bauen nicht berücksichtigt

Kurz gesagt, beim Bau von Mietshäusern oder Mehrfamilienhäusern werden solche Kontaktgeräusche nicht berücksichtigt. Selbst wenn der Nachbar im oberen Stockwerk auf Socken läuft, hören Sie trotzdem die Schwingungen, weil sie nicht gedämpft werden. Die Wissenschaftler hoffen, mit ihrer Studie daran etwas ändern zu können. „Wir hoffen, dass unsere Forschungen neue wissenschaftliche Daten liefern, die für die Entwicklung neuer Bauvorschriften erforderlich sind“, erklären die Forscher. „Um das Risiko einer Belastung durch Kontaktgeräusche zu verringern, müssen die verwendeten Maßstäbe und Kriterien weiter spezifiziert werden.“

Kanada ändert die Bauvorschriften

In Kanada werden jetzt die ersten Schritte unternommen. „Es wurde ein Antrag auf Änderung der kanadischen Bauordnung gestellt, um das Risiko zu verringern, dass Menschen durch Kontaktgeräusche aus benachbarten Wohnungen beeinträchtigt werden“, sagen die Wissenschaftler. „Es ist möglich, dass auch andere Architekten oder Bauherren Kontaktgeräusche als Reaktion auf die Bedürfnisse des Marktes stärker berücksichtigen.“

Die Wissenschaftler hoffen auch, das Bewusstsein für dieses Thema schärfen zu können. „Wir arbeiten mit Forschern in anderen Ländern zusammen, in denen vergleichbare Studien durchgeführt werden“, so die Forscher. „Wir hoffen, dass wir mit vereinten Kräften Fortschritte auf dem Weg zu einer gesünderen und lebenswerteren Gebäudeumgebung machen.“

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