Arm zu sein tut nicht nur dem Geldbeutel weh, sondern verursacht buchstäblich körperliche Schmerzen – so zumindest erleben es die Menschen, wenn sie ärmer sind als ihre Mitmenschen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man in einem armen oder einem reichen Land lebt, wie eine britische Studie zeigt.
Was zählt, ist das relative Einkommen im Vergleich zu dem der anderen. Nehmen wir also an, Sie leben in Köln und alle um Sie herum leben in einer teuren Villa, während Sie in einem veralteten Appartement wohnen, dann werden Sie mehr Schmerz empfinden als Ihre reicheren Nachbarn, lautet die These.
Hoch auf der Rangliste
Die Forscher von der Universität London verwendeten ein Einkommensranking als Maßstab. Dabei wurden die Teilnehmer nach ihrem absoluten persönlichen Einkommen eingestuft. Je höher die Position auf der Liste, desto höher war das Einkommen im Vergleich zu Gleichaltrigen, das heißt ähnlichen Personen. Diese Position beeinflusst, wie viel Schmerzen jemand hat. Dabei gilt: je niedriger jemand auf der Einkommensrangliste steht, desto wahrscheinlicher ist es, dass man körperliche Schmerzen empfindet. Und unabhängig davon, ob eine Person in einem reichen oder armen Land lebte, blieb dieser Zusammenhang bestehen. Das ist das erste Mal, dass ein solcher Zusammenhang zwischen Einkommen und Schmerzempfinden nachgewiesen wurde.
Überraschenderweise empfinden arme Menschen in armen Ländern nicht mehr Schmerzen als arme Menschen in reichen Ländern. Man würde erwarten, dass sich das persönliche Einkommen in armen Ländern viel stärker auf das Schmerzempfinden auswirkt, da arme Menschen mit steigendem Einkommen Dinge kaufen können, die ihr Wohlbefinden deutlich verbessern, während diese in reichen Ländern bereits für alle, auch für Menschen mit weniger Geld, verfügbar sind. Folgestudien sollen das weiter erforschen, so Studienautorin Dr. Lucía Macchia.
Schmerz oder kein Schmerz
Die britischen Forscher analysierten Daten von 2009 bis 2018 aus dem großen jährlichen World Gallup Poll (GWP). Das waren Daten von rund 1,3 Millionen Menschen aus 146 Ländern. Die Befragten gaben Auskunft darüber, wie hoch das monatliche Bruttoeinkommen ihres Haushalts war. Dieser Betrag wurde durch die Anzahl der Personen im Haushalt geteilt, um das persönliche Einkommen zu ermitteln. Die Teilnehmer wurden auch gefragt, ob sie am Tag vor dem Ausfüllen des Fragebogens körperliche Schmerzen verspürt hatten. Sie konnten ja oder nein ankreuzen.
Chronische Schmerzen
Für Menschen, die keine Schmerzen haben, scheint das selbstverständlich zu sein, aber in Deutschland leiden etwa 12 bis 15 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. Dabei handelt es sich um Schmerzen, die länger als drei bis sechs Monate andauern. In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Menschen mit körperlichen Schmerzen extrem zugenommen, so die Forscher. Schmerzen beeinträchtigen alles, von der Freizeitgestaltung bis zur Produktivität am Arbeitsplatz. Chronische Schmerzen treiben die Gesundheitskosten in die Höhe und stellen somit eine große Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Schmerzen spielen auch eine wichtige Rolle bei Selbstmord, Drogen- und Alkoholmissbrauch. Da Schmerzen so belastend sind, ist es wichtig, den Kontext von Schmerzen zu verstehen, um die Bedingungen zu verbessern. Frühere Untersuchungen haben beispielsweise gezeigt, dass Schmerzen subjektiv sind: Nach einer misslungenen Operation empfinden Patienten mehr Schmerzen als nach einer erfolgreichen Operation. Man empfindet auch mehr Schmerzen, wenn man schlecht gelaunt ist.
Sozialer Vergleich
Nun hat sich auch gezeigt, dass das eigene Einkommen im Vergleich zu dem anderer Personen, einen Unterschied macht. „Das ist die erste Studie, die beweist, dass Einkommen und Schmerzen überall auf der Welt miteinander verbunden sind. Es scheint, dass psychologische Faktoren, die mit dem sozialen Vergleich zusammenhängen, die körperlichen Schmerzen einer Person beeinflussen,“ erklärt die Wissenschaftlerin Lucía Macchia.
Die Erklärung für den Zusammenhang zwischen Schmerzen und Einkommen ist ihrer Meinung nach in negativen Emotionen zu suchen, die aus der (mangelnden) Wertschätzung der eigenen Einkommensposition im Vergleich zu der von gleichaltrigen resultieren. Darüber hinaus spielt also auch der soziale Vergleich eine Rolle, der mehr über die eigene Position und den Status in der Gesellschaft aussagt, sowie das Gefühl, dass es an sozialer Mobilität fehlt, das heißt, dass es schwierig ist, eine höhere Position auf der sozialen Leiter zu erreichen.
Unterschied zu Gleichaltrigen
In dieser Studie wurde ausdrücklich nur ein Zusammenhang nachgewiesen, keine Ursache-Wirkung-Verbindung. Das Besondere daran ist, dass es sich um einen relativen Unterschied zu Gleichaltrigen handelt, das heißt, zu ähnlichen Personen. Damit entfällt die Erklärung, dass ärmere Menschen häufiger chronisch krank sind und deshalb mehr Schmerzen haben: Auch relativ reiche Menschen haben mehr Schmerzen als ihre noch reicheren Altersgenossen.
Armut zählt in Amerika zu den häufigsten Todesursachen
Erst kürzlich stellte ein internationales Forschungsteam in einer Studie fest, dass vor allem langanhaltende Armut in Amerika zu den vier häufigsten Todesursachen zählt. Nur Erkrankungen des Herzens, Krebs und Rauchen fordern mehr Todesopfer. Armut ist daher tödlicher als Unfälle, Demenz, Schlaganfall, Alzheimer und Diabetes, so die Forscher.
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