Samstag, 20. Mai 2023

Musik machen hält das Gehirn jung



Eine Melodie im Radio mitsingen, eine schöne Sonate auf dem Klavier spielen: Das dient nicht nur der Unterhaltung, sondern auch dem Gehirn. Neue Forschungen zeigen, dass das Spielen eines Instruments oder Singen das Gehirn jung und vital hält.

 

Es wirkt der Alterung entgegen, verbessert die neuronale Plastizität und erhält die Gehirnfunktion. Und das gilt durchaus auch für ältere Menschen, wie eine neue chinesische Studie zeigt. Genauer gesagt, sorgt das regelmäßige und lange Spielen eines Musikinstrumentes oder das Singen dafür, dass Menschen im Alter im Durchschnitt eine viel bessere Spracherkennung haben. Sie sind in der Lage, nicht zusammenhängende Informationen (Geräusche) zu ignorieren und eine audiovisuelle Botschaft besser zu verstehen als Senioren, die sich nicht musikalisch betätigen. MRT-Bilder zeigen, dass verschiedene Teile des Gehirns jünger aussehen und sogar Funktionen von anderen Bereichen übernehmen. Jahrelanges Musiktraining kann also den Abbau der Gehirnleistung verlangsamen und in einigen Fällen sogar umkehren.

Audiovisueller Test

Die Wissenschaftler erklären, wie die Studie zustande kam: „Wir haben drei verschiedene Arten von Teilnehmern rekrutiert: ältere Musiker (die ihre musikalische Ausbildung vor dem 23. Lebensjahr begonnen hatten und seit durchschnittlich 51 Jahren Musiker waren), ältere Nicht-Musiker und junge Nicht-Musiker. Alle diese Personen wurden gebeten, einen audiovisuellen Test zu absolvieren, während sie in einem MRT-Scanner lagen. Auf dem Bildschirm sahen sie, wie jemand eine Silbe aussprach, wobei die Lippenbewegungen deutlich auf dem Bildschirm zu sehen waren. Der dazugehörige Ton war ebenfalls zu hören, wurde aber durch Rauschen erheblich gestört. Die Aufgabe der Probanden bestand darin, die gesprochenen Silben zu benennen. Dabei variierte das so genannte Signal-Rausch-Verhältnis stark.“

Vorteile von Musiktraining

Die Gehirnscans verblüfften die Forscher. „Einige unserer Ergebnisse haben uns trotz unserer vorherigen Annahmen sehr überrascht“, so die Wissenschaftler. „Wir stellten drei Hypothesen über den Nutzen von Musiktraining für das alternde Gehirn auf. Wir untersuchten den Erhaltungsgrad der Gehirnfunktionen in bestimmten Teilen des Gehirns - wie „jugendlich“ sind diese Gehirnregionen noch? - und wir untersuchten die neuronale Kompensation, bei der ein Hirnbereich die Funktion des anderen übernimmt. Drittens suchten wir nach einem positiven Effekt aufgrund einer Kombination oder Interaktion zwischen diesen beiden Mechanismen. Und wir haben in unserer Studie Hinweise gefunden, die die dritte Hypothese bestätigen“, sagen die Forschenden.

Use it or loose it: Benutzen oder verlieren

„Es erschien uns im Vorfeld logisch, dass die Hirnfunktionen in allen Teilen des frontalen und parietalen Kortex, die für die kognitive Kontrolle zuständig sind, besser erhalten bleiben würden. Die MRT-Scans zeigten jedoch, dass dies auch in den sensomotorischen Arealen zu finden war, die bei jungen Menschen eine Rolle bei der Wahrnehmung von Sprache spielen. Es scheint also, dass hier das Prinzip „use it or lose it“ (benutzen oder verlieren) gilt“, erklären die Forschenden. „Darüber hinaus fanden wir eine neuronale Kompensation in Teilen des Default-Mode-Netzwerk (DMN). Diese Hirnregion ist besonders in Ruhe aktiv, wenn man sich auf Erinnerungen, Grübeleien oder Tagträume konzentriert. Die Kompensation deutet darauf hin, dass das Musiktraining unsere Fähigkeit verbessert, „Hintergrundgeräusche“, also nicht aufgabenbezogene Informationen, zu ignorieren und sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren. Es weist also stark darauf hin, dass die Vorteile des Musiktrainings noch umfassender sind als das, was wir in unserer Studie getestet haben. Musiktraining scheint den Gesamtzustand des Gehirns zu verbessern, eine überraschende und vielversprechende Idee“, schwärmen die Wissenschaftler.

Die beiden Mechanismen scheinen sich gegenseitig zu ergänzen. „Am faszinierendsten ist, dass die beiden Mechanismen - Erhaltung der Hirnfunktion und neuronale Kompensation - nebeneinander bestehen und voneinander abhängen. Mit anderen Worten: Die funktionelle Kompensation im frontalen und parietalen Kortex und im Default-Mode-Netzwerk hat einen positiven Einfluss auf die sensomotorischen Regionen. Das bedeutet, dass das Musiktraining unsere kognitiven Fähigkeiten und unser Gehirn auf komplexere Weise beeinflusst, als bisher angenommen“, so die Wissenschaftler.

Es ist nie zu spät, um Musik zu machen

Die Forschenden sind von den Anti-Aging-Effekten des Musizierens sehr überzeugt. „Wir sind der festen Überzeugung, dass Musiktraining ein wichtiger und unterhaltsamer Weg ist, um die Spracherkennung zu verbessern und die Alterung des Gehirns zu bekämpfen. Deshalb ermutige ich alle älteren Menschen, mit dem Spielen eines Musikinstruments oder dem Singen anzufangen, fall sie es nicht schon getan haben. Das hält das Gehirn aufmerksam, konzentriert und jung“.

Die Hauptautorin der Studie hat sogar ihre Familie und Freunde davon überzeugt, im Interesse der geistigen Aufmerksamkeit mit der Musik zu beginnen. „Mein Vater hat zum Beispiel angefangen, Erhu zu spielen, ein traditionelles chinesisches Instrument, nachdem ich ihm von unseren Erkenntnissen erzählt hatte. Er hat diesen Tipp auch an seine Freunde weitergegeben und so mehrere Senioren für das Musiktraining begeistert“, berichtet sie abschließend.

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