Donnerstag, 30. November 2023

Darum kaufen wir immer mehr als geplant

Wir kaufen immer mehr ein als auf dem Einkaufszettel steht


Auf unserem wöchentlichen Einkaufszettel stehen Brot, Joghurt, Müsli und Eier. Aber wenn wir den Supermarkt verlassen, liegen meist noch weitere Produkte im Einkaufswagen. Denn wir kaufen immer mehr, als auf unserer Einkaufsliste steht - und das liegt an diesen Tricks.

Die Verbraucherpsychologie beeinflusst uns alle

In einem durchschnittlichen Supermarkt werden etwa 30.000 verschiedene Artikel verkauft. Da ist ein Spontankauf schnell gemacht. Die Marketingfachleute machen sich dies mit wöchentlichen Angeboten und Sparaktionen zunutze. Aber es gibt auch subtilere Tricks, wie diese Antworten auf die Frage zeigen: Warum kaufen wir immer mehr, als wir geplant haben?

1. Weil wir immer viel suchen müssen

Jeder Supermarkt ist anders aufgebaut, aber es gibt einige auffällige Gemeinsamkeiten. Milch und Eier zum Beispiel stehen verdächtig oft ganz hinten. Das hat nach Ansicht von Marketingexperten einen Grund.

Viele Kunden kaufen mindestens ein Milchprodukt oder Eier. Wenn man dafür durch den ganzen Supermarkt laufen muss, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man unterwegs etwas mitnimmt, das nicht auf der Einkaufsliste steht. Und der Laufweg verläuft relativ oft gegen den Uhrzeigersinn. Auch das ist wahrscheinlich kein Zufall.

In seinem Buch „Priceless: the myth of fair value“ beschreibt der amerikanische Autor William Poundstone, wie ein Marktforschungsunternehmen Supermarktbesucher mit Hilfe von Einkaufswagensensoren überwacht hat. Diejenigen, die sich gegen den Uhrzeigersinn bewegten, gaben im Durchschnitt zwei Dollar mehr aus.

Warum das so ist, ist unklar. Das Thema wurde nicht weiter untersucht. Eine beliebte Theorie besagt, dass die meisten von uns Rechtshänder sind und daher den Einkaufswagen mit der linken Hand halten und die Produkte mit der rechten Hand greifen. Diese Theorie ist jedoch nicht wasserdicht, denn warum sollten dann überhaupt Regale auf der linken Seite des Gangs stehen?

2. Weil wir den leeren Einkaufswagen füllen wollen

Als in den 1950er Jahren der erste „Selbstbedienungsladen“ eröffnet wurde, hatte ein Einkaufswagen noch bescheidene Dimensionen. Er bestand aus kaum mehr als zwei Körbchen übereinander. Wurden die Einkaufswagen größer, weil wir gerne mehr einkaufen, oder ist es umgekehrt?

Wenn wir mehr mitnehmen können, tun wir das auch. Ist ein Einkaufswagen doppelt so groß, kaufen Verbraucher etwa 40 Prozent mehr, ergaben Forschungen eines großen Einkaufswagenherstellers in Amerika.

Ein großer Einkaufswagen soll demnach das Hamsterverhalten anregen. Die Neigung, Nahrungsmittel für magere Zeiten zu hamstern, wie es unsere Vorfahren tun mussten, steckt immer noch in uns. Wenn wir also die Möglichkeit haben, viel auf einmal zu sammeln, tun wir das.

3. Weil Angebote oft Scheinangebote sind

Produkte an auffallenden Stellen verkaufen sich logischerweise besser. Deshalb befanden sich Markenprodukte früher auf Augenhöhe, aber dort findet man immer häufiger die Hausmarken. Ihre Gewinnspanne ist höher, erklärt Marketingexperte Erjen van Nierop von der Universität Groningen und der EFMI Business School.

Es erhöht auch die Sichtbarkeit - und damit den Bekanntheitsgrad - der Eigenmarken. Hersteller der Markenprodukte behalten aber einen Fuß in der Tür, indem sie auffallende Stellplätze im Supermarkt kaufen, sowohl in den normalen Regalen als auch in den sogenannten Kopfregalen, die am Anfang oder Ende der beidseitigen Mittelraumregale platziert werden.

Diese Kopfregale sind ein echter Blickfang. Einige Forscher schätzen, dass rund 30 Prozent der Supermarkteinkäufe aus Kopfregalen stammen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es dort oft Angebote gibt.

Doch wer glaubt, dass man dort immer Schnäppchen findet, wird enttäuscht. Manchmal möchte der Supermarkt auf ein Produkt aus einem anderen Grund aufmerksam machen. Zum Beispiel, weil es neu ist oder gerade ausläuft - und weil man hofft, auf diese Weise Restartikel loszuwerden.

Ebenfalls ein bewährter Trick: Produkte beieinander platzieren, die oft zusammen gekauft werden. Man denke an Softdrinks in der Nähe des Knabberzeugs. Und ist Grillfleisch im Angebot? Dann werden Hamburgerbrötchen und Soßen, die nicht im Angebot sind, ebenfalls gut sichtbar aufgestellt.

4. Weil wir meistens die Mitte wählen

In Supermärkten gibt es von vielen Produkten drei Varianten: das teure Markenprodukt, die billigere Hausmarke und eine noch preiswertere Billigmarke. Das ist gut, denn man kann so seine Einkäufe an die Haushaltskasse anpassen, aber es steckt mehr dahinter.

In einem vielzitierten Beispiel aus den 1980er Jahren ließen Forscher der amerikanischen Duke University Studienteilnehmer Bier auswählen. Wenn es nur zwei Möglichkeiten gab, ein Premium-Bier und eine Billigmarke, die nur halb so viel kostete, wählten etwa 33 Prozent die Billigmarke.

Stand zusätzlich ein noch teureres Superpremium-Bier zur Wahl, entschieden sich plötzlich 90 Prozent der Probanden für das Premium-Bier, das in dem Moment die mittelteure Variante war. Zehn Prozent wählten das Superpremium-Bier und niemand wollte mehr das Billigbier.

Aber standen diese drei Sorten zur Wahl: Premium-Bier, Billigbier und eine noch billigere Marke, stieg der Absatz des Billigbieres sogar an. Mit anderen Worten: Die Mehrheit entschied sich für die mittlere Variante, unabhängig vom Preis.

Drei Wahlmöglichkeiten spülen also in der Praxis mehr Geld in die Kasse. Schließlich entscheiden sich dann mehr Kunden für die mittlere anstatt für die Billigvariante.

5. Weil wir Preise falsch vergleichen

Angenommen, Sie betreten einen Supermarkt, den Sie nicht kennen. Wie können Sie sich ein Bild davon machen, wie teuer er ist? Wenn wir bei jedem Produkt den Preis beurteilen sollten, wäre das eine unlösbare Tagesaufgabe.

Stattdessen zieht unser Gehirn seine Schlüsse aus den ersten Informationen, die uns begegnen. So fallen Ihnen zum Beispiel beim Betreten des Marktes sofort Bananen ins Auge, die billiger sind als üblich. Dann sehen Sie ein Stückchen weiter, mitten im Gang, ein sehr günstiges Spülmittel. An solchen Ankerpunkten orientiert sich unser Bild des gesamten Supermarktes, ohne weiter auf die Preise zu achten.

Clevere Manager platzieren also relativ billige Artikel an strategischen Stellen, damit ihre Supermärkte besonders preisgünstig erscheinen und die Kunden hoffentlich mehr einkaufen.

In der Zwischenzeit könnten die Preise im restlichen Geschäft unbemerkt um zehn Prozent steigen, argumentiert Martin Lindstrom, Autor des Buches „Brandwashing“. Er sagt, dass das bereits passiert, obwohl kein Supermarkt das zugeben wird.

6. Weil wir denken, dass wir schlauer sind

Supermärkte stimulieren gerne unsere Sinne. Brot, das mitten im Laden gebacken wird? Das könnte man wahrscheinlich auch anderswo machen, aber dann würden wir nicht diesen verlockenden Duft von frischem Brot riechen.

Die Geschmacksnerven werden verwöhnt, indem man Käsewürfel anbietet. Ein Trick, um den Käse zu verkaufen, denken Sie wahrscheinlich. Doch laut dem amerikanischen Umweltpsychologen und Marketingberater Paco Underhill soll damit unser Hungergefühl geweckt werden. So kaufen Kunden hoffentlich mehr Lebensmittel als geplant, egal ob Käse oder nicht.

Ob diese Art von Tricks funktioniert, ist schwer zu sagen. Bisher gibt es keine eindeutigen Beweise. Es gibt viele Studien über Hintergrundmusik und Düfte in Supermärkten, jedoch ohne eindeutige Ergebnisse. In einer klassischen amerikanischen Studie aus den 1980er Jahren gingen die Kunden bei langsamer Musik auch langsamer durch den Laden und kauften mehr ein.

Forscher der niederländischen Universität Wageningen untersuchten kürzlich die Wirkung von geeigneter Musik und Düften in den Abteilungen Obst, Kaffee und Wein. Man denke an Cappuccino-Duft beim Kaffeeregal und klassische Musik beim Wein-Sortiment. Die Abteilungen zogen allerdings nicht mehr Kunden an. Die Kunden, die kamen, blieben auch nicht länger und kauften nicht mehr. Offenbar sind wir also doch nicht so berechenbar, wie die Marketingleute hoffen. Oder diese Tricks sind so durchschaubar,dass wir deshalb nicht mehr darauf hereinfallen.

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