Mittwoch, 17. Januar 2024

Tinnitus: Dieses Gehirntraining bringt Linderung

Ein Gehirntraining mit Hilfe einer Smartphone-App lindert Tinnitus (Foto: pixabay.com)


Hoffnung für Tinnituspatienten: Ein spezielles Gehirntraining lindert die lästigen Ohrgeräusche.

 

Ohrgeräusche oder Tinnitus, wie es offiziell heißt, ist eine Erkrankung, die einen zum Wahnsinn treiben kann. Dabei handelt es sich um ständige Geräusche wie Klingeln, Rauschen, Ticken, Knacken, Pfeifen, Brummen, Zischen oder Klopfen. Das kann so weit gehen, dass Betroffene depressiv werden und nicht mehr schlafen können. Fünf bis 15 Prozent der Erwachsenen haben schon mal einen länger anhaltenden Tinnitus erlebt. Bei ungefähr zehn bis 20 Prozent der Betroffenen sind die Ohrgeräusche so stark, dass sie die Lebensqualität deutlich einschränken und eine Behandlung notwendig wird. Fast drei Millionen Menschen leiden an chronischem Tinnitus. Für diese Patienten gibt es nun vielleicht Hoffnung in Form eines speziellen Gehirntrainings.

Keine Behandlung durch Medikamente oder Operation

Leider gibt es bisher kein Medikament oder eine Operation, die den Tinnitus vollständig verschwinden lässt. Man kann nur lernen, mit den Symptomen umzugehen. Es wird also händeringend nach einer Lösung gesucht. Und vielleicht gibt es sie nun. Die sogenannte MindEar-App soll laut den Wissenschaftlern die Auswirkungen der Ohrgeräusche schon innerhalb weniger Wochen stark verringern. Alles, was man dazu braucht, ist ein Smartphone mit dieser App.

Das Training und die Klangtherapie - entwickelt von kooperierenden Universitäten in Australien, Neuseeland, Frankreich und Belgien - geben Millionen von Tinnitus-Patienten Hoffnung, denen gesagt wurde, dass es keine Behandlung gibt oder die auf einer langen Warteliste für medizinische Hilfe stehen. In der ersten klinischen Studie wurden 30 Tinnitus-Patienten 16 Wochen lang behandelt. Die Ergebnisse waren äußerst positiv: Bei zwei Dritteln wurden Fortschritte erzielt. In Großbritannien werden nun größere Studien durchgeführt.

Mann kann etwas tun

„Etwa 1,5 Millionen Menschen in Australien, 4 Millionen Briten und 20 Millionen Amerikaner leiden an schwerem Tinnitus“, sagt der Wissenschaftler Fabrice Bardy von der Universität von Auckland. „Eines der häufigsten Missverständnisse über Tinnitus ist, dass man nicht dagegen tun kann und einfach lernen muss, mit ihm zu leben. Das ist einfach nicht wahr. Professionelle Hilfe kann die Ängste und die Unruhe, die mit Ohrgeräuschen einhergehen, erheblich verringern.“

„Einige der Betroffenen profitieren von einer kognitiven Verhaltenstherapie, aber dafür braucht man einen ausgebildeten Psychologen. Das kostet viel Geld und diese finanziellen Mittel sind nicht immer vorhanden“, sagt die Wissenschaftlerin Suzanne Purdy aus Auckland. „Die MindEar-App nutzt eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen sowie einer Art Klangtherapie. Auf diese Weise wird das Gehirn darauf trainiert, den Tinnitus zu unterdrücken. Das Geräusch, das man aufgrund des Tinnitus hört, tritt in den Hintergrund und ist für den Patienten viel weniger unangenehm.“

„In unserer Studie konnten wir bei zwei Dritteln der Nutzer unseres Chatbots nach 16 Wochen deutliche Fortschritte feststellen. Bei Patienten, die zusätzlich zur MindEar-App Zugang zu einem Psychologen hatten, war dieser Effekt bereits nach acht Wochen zu beobachten“, so Bardy.

Wie funktioniert die App?

Schon vor unserer Geburt lernt unser Gehirn, irrelevante Geräusche herauszufiltern. Das überraschend laute Geräusch von Blut, das an unseren Ohren entlang pumpt, ist ein Beispiel dafür. Je älter wir werden, desto besser beherrscht unser Gehirn diese Fähigkeit. Wir hören zum Beispiel eine viel befahrende Straße weniger, das Rauschen der Klimaanlage oder das Schnarchen des Bettpartners. Die meisten Alarme, wie Rauchmelder, verwenden einen hohen und störenden Ton, um diesen Filter zu umgehen. Selbst im Schlaf löst dies eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus. Diese Reaktion ist bei Geräuschen, die wir mit schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit verbinden, am stärksten.

Tinnitus wird nicht durch einen Alarm ausgelöst, sondern tritt nur im Kopf des Patienten auf. Dennoch löst er die gleiche Art von Aufmerksamkeitsreaktion aus. Ohrgeräusche werden als unangenehm, stark störend oder geradezu wahnsinnig machend empfunden. Und es gibt keine Möglichkeit, sie abzuschalten. Das Gehirn bleibt auf die Geräusche konzentriert und trainiert so, sich immer mehr darauf zu fokussieren, auch wenn keine Gefahr besteht. Dies ist auch der Weg zur Linderung, so die Macher der App. Indem man trainiert, den Ohrgeräuschen weniger Aufmerksamkeit zu schenken, wird es leichter, das Geräusch zu ignorieren. Die Idee dahinter ist, dass die Produktion von Stresshormonen abnimmt, wodurch sich das Gehirn weniger auf den Tinnitus konzentriert.

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