Dienstag, 13. Februar 2024

So schädigt chronischer Stress den Darm

Chronischer Stress schädigt die Darmflora (Foto: pixabay.com)


Ein Bakterium im Darm von gestressten Mäusen stört Zellen, die vor Krankheitserregern schützen.

 

Psychischer Stress wird seit langem mit dem schubweise Auftreten von Magen-Darm-Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom (RDS) in Verbindung gebracht. Jetzt haben Wissenschaftler genaue Einzelheiten entdeckt, wie Stress den Darm schädigen kann: indem er eine biochemische Kettenreaktion in Gang setzt, die das Darmmikrobiom umformt.

Die Studie, die im Fachjournal „Cell Metabolism“ veröffentlicht wurde, ist interessant, sagt Christoph Thaiss, Mikrobiologe und Neurowissenschaftler an der Universität Pennsylvania, denn sie zeigt, wie das Gehirn - trotz weiter Entfernung vom Verdauungstrakt - diesen dennoch beeinflussen kann.

Störung des Stoffwechsels

Das Reizdarmsyndrom, das mit Bauchschmerzen und Durchfall oder Verstopfung einhergeht, betrifft einen von zehn Menschen. Bis zu zehn Millionen Menschen weltweit leiden an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, die Entzündungen verursachen und ähnliche Symptome auslösen. Der Mitautor der Studie, Xiao Zheng, der den Stoffwechsel an der China Pharmaceutical University in Nanjing erforscht, wollte wissen, was auf zellulärer Ebene geschieht, um diese Zustände auszulösen.

Um dies herauszufinden, setzten er und seine Kollegen Mäuse zwei Wochen lang chronischem Stress aus und beobachteten die Auswirkungen. Im Vergleich zu Mäusen, die nicht gestresst waren, wiesen die Tiere eine geringere Anzahl von Zellen auf, die den Darm vor Krankheitserregern schützen. Das lag daran, dass der Stoffwechsel der Darmstammzellen, die sich normalerweise in diese Schutzzellen umwandeln, nicht richtig funktionierte.

Sympathisches Nervensystem beeinflusst die Darmbakterien

Auf der Suche nach einem Grund untersuchten die Wissenschaftler das Mikrobiom der Tiere, also die Gesamtheit von Bakterien und anderen Mikroben im Darm, das die Verdauung unterstützt. Frühere Studien hatten gezeigt, dass die Aktivierung des sympathischen Nervensystems, das für die Kampf-oder-Flucht-Reaktion des Körpers verantwortlich ist und häufig durch psychischen Stress ausgelöst wird, das Mikrobiom umgestalten kann. Einige Bakterien der Gattung Lactobacillus, die natürlicherweise im Darm vorkommen und sich unter Stressbedingungen vermehren, produzieren eine Chemikalie namens Indol-3-Acetat (IAA). Die Wissenschaftler fanden heraus, dass ein erhöhter IAA-Spiegel, ausgelöst durch Stress, die Darmstammzellen der Mäuse daran hinderte, sich zu Schutzzellen zu entwickeln.

Obwohl diese Studie an Mäusen durchgeführt wurde, sammelten die Forscher Beweise dafür, dass ihre Ergebnisse auch auf den Menschen zutreffen könnten: Das Team fand erhöhte Werte von Lactobacillus-Bakterien und IAA in den Fäkalien von Menschen mit Depressionen im Vergleich zu denen von Menschen ohne Depression. „Wenn wir unter Stress leiden, leidet auch unser Darmmikrobiom unter Stress“, sagt Zheng.

Die Studienautoren fanden auch ein mögliches Gegenmittel, zumindest bei Mäusen. Als sie gestressten Mäusen ein Nahrungsergänzungsmittel namens Alpha-Ketoglutarat verabreichten, das von einigen Bodybuildern eingenommen wird, brachte es den Stoffwechsel der beeinträchtigten Stammzellen in ihrem Darm in Gang. Thaiss warnt, dass noch mehr Arbeit nötig ist, um die langfristigen Auswirkungen des Mittels zu verstehen und um festzustellen, ob es die Symptome der Darmfunktionsstörung verringert.

Ein Puzzlestück

Da Stress eine ganze Reihe von biochemischen Veränderungen im Körper auslöst, kann diese Studie allein nicht die ganze Geschichte der Verbindung zwischen Stress und Darm erklären, fügt Thaiss hinzu. In einer im vergangenen Jahr im Fachmagazin „Cell“ veröffentlichten Arbeit haben er und seine Kollegen einen separaten biochemischen Weg aufgedeckt, der damit beginnt, dass ein gestresstes Gehirn ein Signal sendet, und damit endet, dass Immunzellen im Darm überaktiv werden. Wie diese Mechanismen, wenn überhaupt, zusammenwirken, ist unklar.

Thaiss weist auch darauf hin, dass die IAA-Studie nur die nachgeschalteten Auswirkungen von Stress auf den Darm untersucht hat. Es ist mehr Forschung nötig, um zu verstehen, wie das Gehirn Signale sendet, die die bakterielle Vermehrung auslösen. Zheng sagt, dass er und seine Kollegen planen, diese vorgelagerten Effekte als Nächstes zu untersuchen, zusätzlich zur weiteren Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit von Alpha-Ketoglutarat.

Die IAA-Studie „ist sicherlich ein neues Teil des Puzzles“, sagt Gerard Clarke, Neurogastroenterologe am University College Cork in Irland, „aber wie viele Teile dieses Puzzle es gibt, ist noch eine offene Frage“.

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