Angst und Stress im Alltag sind unvermeidlich. Man muss aber nicht immer sofort zu Medikamenten greifen. Die Symptome lassen sich auch mit passenden Nährstoffen und Heilpflanzen lindern.
In unserer modernen Gesellschaft sind Stress und Angst leider häufige Symptome des sozialen, wirtschaftlichen und/oder persönlichen Leistungsdrucks. Angst und Stress sind normale Reaktionen auf eine drohende Gefahrensituation, mit dem Ziel, unsere Überlebenschancen zu erhöhen. Gelegentlicher kurzfristiger Stress hat sogar eine positive Wirkung auf das Immunsystem.
Chronischer Stress und Angst ohne reale Gefahr belasten die Gesundheit und können zu körperlichen Beschwerden wie Herzrhythmusstörungen, Muskelschmerzen, Schlaflosigkeit, Bluthochdruck sowie Verdauungsproblemen führen. Angstzustände, Depressionen und Burnout sind die wichtigsten psychologischen Folgen.
In Deutschland leiden sechs Millionen Menschen an Schlafstörungen und jeder sechste Bundesbürger leidet an einer Angststörung. Bei Angststörungen und Schlafproblemen werden häufig Benzodiazepine verschrieben. Diazepam, Oxazepam und Temazepam sind die bekanntesten Mittel aus dieser Gruppe Schlaf- und Beruhigungsmittel. Wegen des hohen Suchpotenzials und des Sturzrisikos ist eine dauerhafte Anwendung dieser Medikamente allerdings unerwünscht.
In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde festgestellt, dass manche Mikronährstoffe und Heilpflanzen auf dieselbe Weise wie Benzodiazepine Ruhe und Gelassenheit bewirken und den Schlaf verbessern, manchmal sogar genauso wirksam wie die chemischen Arzneimittel.
Baldrian (Valeriana officinalis) ist eine Pflanze aus der Familie der Geißblattgewächse, die bereits im alten Griechenland und in China als Beruhigungs- und Schlafmittel verwendet wurde. Der Extrakt aus den Wurzeln der Pflanze enthält eine Vielzahl von Wirkstoffen, wie ätherische Öle (einschließlich Valerensäure und Mono- und Sesquiterpene), Valepotriate (unter anderem Isovaltrat), Alkaloide und Aminosäuren, darunter den Nervenbotenstoff GABA. Die ebenfalls enthaltene Isovaleriansäure ist für den charakteristischen Geruch des Baldrians verantwortlich.
Die Wirksamkeit von Baldrian wird auf die synergistische (gegenseitig verstärkende) Wirkung seiner verschiedenen Bestandteile zurückgeführt. Diverse Studien haben eine positive Wirkung von Baldrian auf den Schlaf festgestellt. So wurde beispielsweise 16 Patienten, die unter Schlaflosigkeit litten, 14 Tage lang Baldrianextrakt oder ein Placebo verabreicht. Nach zwei Wochen war die Schlafqualität in der Baldriangruppe deutlich besser. Die Zeit, die benötigt wurde, um in den Tiefschlaf, den sogenannten Slow-Wave-Schlaf, zu kommen, war kürzer (13,5 Minuten gegenüber 21,3 Minuten) und der Anteil des Slow-Wave-Schlafs an der Gesamtschlafzeit war höher (9,8 Prozent gegenüber 8,1 Prozent). Außerdem war sowohl die subjektive als auch die objektive Einschlafzeit kürzer, wenn Baldrian verwendet wurde.
Eine Gruppe von 202 Patienten, die seit durchschnittlich 3,5 Monaten an Schlaflosigkeit litten, erhielt sechs Wochen lang täglich 10 Milligramm Oxazepam oder 600 Milligramm eines Baldrianextrakts (Sedonium). Mit einem Fragebogen (Sleep Questionnaire B) wurde die Schlafqualität nach sechs Wochen bewertet. Oxazepam und Baldrian wirkten ähnlich, was die Schlafdauer, die Verbesserung der Schlafqualität, das erholte Aufwachen, die psychische Stabilität oder abendliche Erschöpfung, die psychosomatischen Symptome in der Schlafphase und die Traumerinnerung betrifft. Schätzungsweise die Hälfte der Frauen in der Postmenopause leidet unter Schlafproblemen, einschließlich Schlaflosigkeit. Nach Angaben von Wissenschaftlern der Teheraner University of Medical Sciences kann Baldrian diesen Frauen Linderung verschaffen. Sie verabreichten 100 postmenopausalen Frauen im Alter von 50 bis 60 Jahren zweimal täglich 530 Milligramm Baldrianextrakt oder ein Placebo. Nach vier Wochen zeigte sich bei 30 Prozent der Frauen in der Baldriangruppe eine Verbesserung der Schlafqualität, während es in der Placebogruppe nur vier Prozent waren.
In einer kürzlich durchgeführten Studie mit 51 HIV-positiven Patienten wurde untersucht, inwieweit Baldrian bestimmte psychologische Nebenwirkungen des Medikaments Efavirenz, das Teil der antiretroviralen Therapie ist, dämpfen kann. Die eine Hälfte der Gruppe erhielt jeden Abend eine Stunde vor dem Schlafengehen 530 Milligramm Baldrian. Die andere Hälfte erhielt ein Placebo. Nach vierwöchiger Einnahme waren Schlaflosigkeit und Angstzustände in der Baldriangruppe deutlich geringer.
In früheren Untersuchungen wurde bereits eine angstlösende Wirkung von Baldrian festgestellt. Eine kleine Studie mit 36 Patienten mit Angstzuständen zeigte, dass nach einer vierwöchigen Supplementierung mit einem Baldrianextrakt (standardisiert auf 80 Prozent Valpotriate) die Schwere der Angstsymptome deutlich abnahm. Die Ergebnisse waren vergleichbar mit denen von Diazepam.
Kalifornischer Mohn (Eschscholzia californica), auch als Goldmohn oder Schlafmützchen bekannt, ist eine krautige Pflanze aus der Familie der Mohngewächse. Die Pflanze ist in der südwestlichen Küstenregion Nordamerikas heimisch und wurde von den amerikanischen Ureinwohnern gegen Zahnschmerzen und als Beruhigungsmittel für Kinder verwendet. Zu ihren Wirkstoffen gehören vor allem Rutin und Chinolinalkaloide (unter anderem Escholtzin und Allocryptopin). Wie andere Beruhigungsmittel, zum Beispiel Benzodiazepine, wirken einige Alkaloide des Kalifornischen Mohns auf die GABA-A-Rezeptoren im Gehirn. Darauf werden die beruhigenden und angstlösenden Eigenschaften des Kalifornischen Mohns zurückgeführt. Darüber hinaus wurde auch eine leichte schlaffördernde und schmerzlindernde Wirkung beobachtet. Kalifornischer Mohn verkürzt vor allem die Einschlafzeit und verbessert die Schlafqualität.
Die Passionsblume (Passiflora incarnata) ist im südöstlichen Nordamerika, Mittel- und Südamerika sowie in der Karibik heimisch. Die indianischen Ureinwohner Nordamerikas verwendeten die Stängel, die Blätter und die Blüten der Pflanze unter anderem gegen Nervenschmerzen und Unruhezustände. Die Azteken verwendeten sie als Rauschmittel, Beruhigungsmittel und zur Blutreinigung. Die wichtigsten Wirkstoffe sind die Harmanalkaloide (unter anderem Passiflorin, Harmalin und Harmalol), Flavonoide (unter anderem Vitexin, Rutin und Quercetin) und Phytosterine (unter anderem Sitosterin). Heute wird die Passionsblume hauptsächlich zur Verbesserung des Schlafs, bei Angstzuständen und als Beruhigungsmittel verwendet. In-vitro-Studien haben gezeigt, dass auch bei dieser Pflanze die pharmakologischen Wirkungen auf Veränderungen des GABA-Systems zurückzuführen sind, wie die Affinität zu den GABA-A- und GABA-B-Rezeptoren und der Grad der GABA-Aufnahme.
Ein Tee aus zwei Gramm Passionsblume in 250 Milliliter Wasser kann sich positiv auf den Schlaf auswirken. Eine Gruppe von 41 Erwachsenen im Alter von 18 bis 35 Jahren mit leichten Schwankungen der Schlafqualität erhielt eine Woche lang entweder den Passionsblumentee oder ein Placebo. Nach einer einwöchigen Entwöhnungsphase wurde die Behandlung gewechselt. Die Ergebnisse wurden anhand von Schlafuntersuchungen (Polysomnographie) und Schlaftagebüchern der Teilnehmer aufgezeichnet. Es wurde festgestellt, dass Passionsblumentee die Schlafqualität deutlich verbesserte, aber keine Auswirkungen auf andere Aspekte des Schlafs hatte, wie zum Beispiel die Einschlafzeit. An einer deutschen Studie nahmen 154 Patienten teil, die bei verschiedenen Ärzte wegen Nervosität und damit verbundenen Symptomen wie Erschöpfung, Schlafstörungen, innerer Unruhe oder Konzentrationsschwäche in Behandlung waren. Sie erhielten von ihrem Arzt Tabletten mit 425 Milligramm Passionsblumenextrakt in unterschiedlichen Dosierungen (durchschnittlich 2,4 Tabletten pro Tag). Zu Beginn der Studie, nach vier Wochen und nach zwölf Wochen füllten die Teilnehmer Fragebögen zur Stresstoleranz und Lebensqualität aus. Nach einer zwölfwöchigen Einnahme von Passionsblume waren die Stressresistenz und die Lebensqualität deutlich verbessert und die Symptome der Nervosität verringert.
In mehreren Studien wurde festgestellt, dass die Passionsblume eine angstlösende Wirkung auf Ängste vor medizinischen Eingriffen hat. So wurde beispielsweise 60 Patienten, die sich einer Rückenmarksbetäubung unterziehen mussten, eine halbe Stunde vor der eigentlichen Injektion Passionsblumenextrakt oder ein Placebo verabreicht. Unmittelbar vor der Anästhesie war die Angst bei den Patienten der Placebogruppe gestiegen. Der Passionsblumenextrakt unterdrückte diesen Anstieg der Angst in der Behandlungsgruppe, ohne dass die Teilnehmer benommen wurden oder ihre psychomotorischen Funktionen beeinträchtigt wurden. An einer iranischen Studie nahmen 63 Personen mit mittelschwerer bis schwerer Zahnarztangst teil. Vor der Zahnbehandlung erhielten sie einen flüssigen Passionsblumenextrakt, ein flüssiges Placebo oder gar nichts. In der Behandlungsgruppe sank das Angstniveau um 30 Prozent verglichen mit zwölf Prozent in der Placebogruppe und vier Prozent in der Gruppe, die nichts erhalten hatte. Die brasilianischen Wissenschaftler verglichen die angstlösenden Wirkungen der Passionsblume mit denen von Midazolam, einem Benzodiazepin mit stark angsthemmenden und beruhigenden Eigenschaften.
Zu diesem Zweck wurden 40 Patienten, denen ein Backenzahn aus dem Unterkiefer gezogen werden musste, eine halbe Stunde vor der Behandlung entweder 260 Milligramm Passionsblume oder 15 Milligramm Midazolam verabreicht. Der Grad der Angst wurde anhand von Fragebögen und körperlichen Parametern (Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung) ermittelt. In beiden Gruppen gaben mehr als 70 Prozent der Teilnehmer an, ruhig oder leicht ängstlich zu sein. Bei den körperlichen Parametern gab es keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. In der Midazolam-Gruppe gaben jedoch 20 Prozent der Teilnehmer an, sich an die gesamte Behandlung nicht erinnern zu können, während die Passionsblume nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf das Gedächtnis hatte. Den Wissenschaftlern zufolge ist die Passionsblume bei der Unterdrückung präoperativer Ängste ebenso wirksam wie Midazolam.
Hopfen (Humulus lupulus) ist eine Pflanze, die zur Familie der Hanfgewächse gehört und vor allem als Zutat für Bier bekannt ist. Bereits im neunten Jahrhundert kannten deutsche Mönche die beruhigende, schlaffördernde und bei Männern libidosenkende Wirkung des Hopfens. Die nordamerikanischen indianischen Ureinwohner setzten Hopfen unter anderem gegen Schlaflosigkeit und Schmerzen ein. Bitterstoffe, insbesondere Humulone (Alphasäuren) und Lupulone (Betasäuren), sowie deren Oxidationsprodukt Methylbutenol (2-Methyl-3-buten-2-ol) sind die wichtigsten Wirkstoffe des Hopfens. Darüber hinaus enthält die Pflanze Polyphenole und andere Flavonoide, wie Quercetin, Kaempferol und Rutin. Einige Hopfenpolyphenole haben pflanzlich-östrogene Wirkungen, die bei Frauen die Menstruation fördern, die Libido steigern und den Knochenabbau hemmen.
Weitere Eigenschaften des Hopfens sind antiseptische, harntreibende und krebshemmende Eigenschaften. Die beruhigenden und schlaffördernden Eigenschaften werden hauptsächlich dem im Hopfen enthaltenen Methylbutenol zugeschrieben. Eine Gruppe spanischer Wissenschaftler untersuchte die beruhigenden Eigenschaften des Hopfens sowohl bei Tieren (Wachteln) als auch bei Menschen (Krankenpflegerinnen in Schichtdiensten). Hopfen in einer Dosierung, die der in alkoholfreiem Bier entspricht, verkürzt die Einschlafzeit, verbessert die Schlafqualität und verringert Angstgefühle.
Die meisten Studien mit Hopfen wurden jedoch in Kombination mit anderen beruhigenden pflanzlichen Stoffen durchgeführt. Besonders beliebt ist die Kombination von Hopfen und Baldrian. In einer Schweizer Pilotstudie wurden 30 Patienten, bei denen im Schlaflabor leichte bis mittelschwere Schlafprobleme festgestellt worden waren, abends 500 Milligramm Baldrian plus 120 Milligramm Hopfen verabreicht. Nach zweiwöchiger Behandlung zeigte eine neue Schlafuntersuchung, dass sich die Einschlafzeit und die Wachphasen verringerten, die Schlafqualität zunahm und der Tiefschlaf länger anhielt. Die Patienten wachten auch ausgeruhter auf. Eine österreichische Studie mit Patienten mit Ein- und Durchschlafproblemen ergab, dass die Kombination aus Hopfen und Baldrian bei der Verbesserung der Schlafqualität, der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität genauso wirksam war wie ein Benzodiazepin.
Schon eine einzige Dosis eines flüssigen Baldrian-Hopfen-Extrakts kann laut einer deutschen Studie die Dauer und Qualität des Schlafs verbessern.
In einer indischen Studie wurde die Wirksamkeit eines Kombinationsprodukts aus 30 Milligramm Hopfen, 300 Milligramm Baldrian und 80 Milligramm Passionsblume mit dem Schlafmittel Zolpidem (10 mg), das ähnlich wirkt wie Benzodiazepine, verglichen. Insgesamt 78 Patienten mit Schlafproblemen nahmen an der Studie teil. Vierzehn Tage lang nahmen sie vor dem Schlafengehen eine Tablette der Kombination aus Hopfen, Baldrian und Passionsblume oder eine Tablette Zolpidem ein. In beiden Gruppen wurden signifikante Verbesserungen der Gesamtschlafzeit, der Einschlafzeit, des nächtlichen Aufwachens, der Tagesmüdigkeit und der Lebensqualität festgestellt. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, so dass die Wissenschaftler zu dem Schluss kommen, dass die Heilpflanzenkombination eine sichere und wirksame Alternative zu Zolpidem bei Einschlafproblemen sein könnte.
GABA
Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist eine γ-Aminosäure, die normalerweise im Gehirn reichlich vorhanden ist und als Neurotransmitter wirkt. Sie ist der wichtigste inhibitorische (hemmende) Neurotransmitter im Gehirn - das Gegenstück zu exzitatorischen (anregenden) Neurotransmittern wie Glutamat - der verhindern soll, dass übermäßige Reize zu Unruhe, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit usw. führen. GABA reguliert die Erregung des Gehirns über GABA-A-Rezeptoren. Viele beruhigende und schlaffördernde Medikamente wie Benzodiazepine, wirken auf dieselben GABA-Rezeptoren für eine entspannende Wirkung. Verschiedene psychiatrische und neurologische Störungen können auf einen niedrigen GABA-Spiegel oder eine gestörte Funktion von GABA im Gehirn zurückzuführen sein, zum Beispiel Angstzustände, Depressionen, Epilepsie und Schlaflosigkeit. Es kommt dann zu einer Überaktivität von Glutamat. Die Wiederherstellung des GABA-Spiegels hemmt die Glutamataktivität und sorgt für Ruhe und Ausgeglichenheit. Geruchs- (olfaktorisch) und Geschmackshalluzinationen (gustatorisch) werden ebenfalls mit einem herabgesetzten GABA-Spiegel in Verbindung gebracht. Eine amerikanische Studie ergab, dass eine Behandlung dieser Halluzinationen zu einem höheren GABA-Spiegel im zentralen Nervensystem führte.
In einer kleinen japanischen Studie wurde die Wirkung von GABA auf Angst und Stress untersucht. Eine Gruppe von acht Freiwilligen (Alter 25 - 30 Jahre) mit Höhenangst erhielt entweder 200 Milligramm GABA oder ein Placebo, bevor sie eine Hängebrücke für Wanderer überquerten, die eine mehr als 45 Meter breite Schlucht überspannte. Vor, während und nach der Überquerung wurde der Immunglobulin-A-Spiegel im Speichel (sIgA; wichtiger Antikörper in Schleimhautsekreten) gemessen. Bei Angst und Stress sinkt der sIgA-Spiegel, während er bei Entspannung ansteigt. In der Placebogruppe sank der sIgA-Wert um 35 Prozent, in der GABA-Gruppe war der sIgA-Wert auf halber Strecke ähnlich und stieg nach der Überquerung sogar leicht an. Die Forschenden kamen zu dem Schluss, dass GABA innerhalb einer Stunde nach der Einnahme eine entspannende und angstlösende Wirkung hat und auch die Widerstandsfähigkeit in Stresssituationen verbessern könnte.
In mehreren Studien, in denen GABA eingesetzt wurde, diente die Durchführung eines Rechentests als Stressauslöser. So erhielt ein Teil einer Freiwilligengruppe zehn Gramm Schokolade, die mit 28 Milligramm GABA angereichert war. Nach einer Viertelstunde mussten sie einen 15-minütigen Rechentest machen. Bevor sie die Schokolade erhielten und nach dem Rechentest wurde der Chromogranin-A-Spiegel (CgA) im Speichel, ein Marker für akuten Stress, gemessen und ein EKG zur Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität (HRV) und damit der Aktivität des autonomen Nervensystems erstellt. Die HRV zeigte, dass sich die Probanden, die GABA erhalten hatten, schnell von einem gestressten zu einem normalen, ruhigen Zustand erholten. Außerdem waren die CgA-Spiegel im Speichel nach dem Test nicht höher als vorher.
In einer anderen Studie wurden 63 Freiwilligen (28 Männer, 35 Frauen, Durchschnittsalter 24,5 Jahre) nach dreistündigem Fasten 100 Milligramm GABA oder ein Placebo verabreicht. Nach elf Minuten mussten sie zehn Minuten lang einen Rechentest absolvieren. Nach einer zweiminütigen Pause folgte ein fünfminütiger so genannter auditiver Oddball-Test, bei dem die Teilnehmer so schnell wie möglich die linke Maustaste drücken mussten, wenn sie einen abweichenden Ton in einer Reihe von Tönen hörten. Nach einer zweiminütigen Pause wurden die Tests drei weitere Male wiederholt. Unmittelbar nach der Einnahme von GABA oder Placebo und jedes Mal nach Abschluss eines Testzyklus wurde ein EEG erstellt, und es mussten ein VAS- (Visuelle Analogskala) und ein POMS-Fragebogen (Profile Of Mood States) ausgefüllt werden. Unmittelbar nach den stressigen Tests, 30 und 60 Minuten nach der Einnahme, wurde eine Abnahme der Gehirnaktivität, einschließlich einer Abnahme der Alpha- und Beta-Gehirnwellen, beobachtet. In der GABA-Gruppe wurde dieser Rückgang 30 Minuten nach der Einnahme aufgehoben, vermutlich weil GABA den Stress der mentalen Tests reduzierte. Die POMS-Werte der GABA-Gruppe zeigten ebenfalls eine stressreduzierende Wirkung von GABA. Außerdem waren diese Teilnehmer nach den Tests besser gelaunt und energiegeladener als die Teilnehmer, die ein Placebo erhalten hatten. Die VAS-Werte der beiden Gruppen unterschieden sich nicht nennenswert.
Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Yoga den GABA-Spiegel erhöhen kann. In einer amerikanischen Studie führte eine einstündige Yogasitzung zu einem um 27 Prozent höheren GABA-Spiegel, während eine Stunde Lesen keinen Anstieg bewirkte. In vitro- und Tierstudien zeigen, dass GABA auch magenschützende Eigenschaften hat. Die Behandlung mit GABA vor der Einnahme von reinem Ethanol reduzierte die Anzahl der Magengeschwüre. Zudem verringerte GABA den oxidativen Stress in den Zellen der Magenschleimhaut und im Magengewebe, indem es die Aktivität von Katalase und Superoxiddismutase erhöhte, und reduzierte Entzündungsmarker (TNF-α und Interleukin-6) im Magengewebe.
Taurin
Taurin ist eine schwefelhaltige organische Säure (2-Amino-Ethansulfonsäure), die oft als semi-essenzielle Aminosäure angesehen wird. Sie wird jedoch nicht bei der Eiweißsynthese verwendet und kommt nur in freier Form oder in einfachen Peptiden vor. Taurin ist ein GABA-Agonist: Es erhöht die Empfindlichkeit der GABA Rezeptoren und verstärkt die Wirkung von GABA. Außerdem stimuliert es die Bildung und Freisetzung von GABA. Im Gehirn hat das Taurin selbst ebenfalls eine GABA-ähnliche Wirkung. Es beruhigt das Gehirn und schützt vor Nervenschäden, die durch überschüssiges Glutamat verursacht werden. Darüber hinaus kann Taurin vor oxidativem Stress schützen, hat eine positive Wirkung auf den Herzmuskel und kann zur Regulierung des Herzrhythmus beitragen. In mehreren Tierstudien wurde eine anxiolytische (angstlösende) Wirkung von Taurin festgestellt.
L-Theanin
Die Aminosäure L-Theanin (L-Gamma-Glutamylethylamid) ist hauptsächlich in den Blättern der Teepflanze (Camellia sinensis) enthalten. Sie liegt nur als freie Aminosäure vor und ist nicht in Proteinen enthalten. Sowohl die traditionell bekannte entspannende Wirkung von grünem Tee als auch sein besonderer Geschmack sind auf das L-Theanin zurückzuführen. L-Theanin kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden und die Konzentrationen der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und GABA im Gehirn erhöhen. L-Theanin hat mehrere positive Wirkungen im Gehirn, die unter anderem zu einem entspannten und gelassenen Gemütszustand führen. Wichtig ist, dass diese entspannende und beruhigende Wirkung von L-Theanin nicht mit Symptomen von Benommenheit oder Schläfrigkeit einhergeht.
Wissenschaftler der japanischen Universität Shizuoka untersuchten die stressmindernde Wirkung von L-Theanin anhand der Alpha-Amylase-Aktivität im Speichel, einem Biomarker für die Aktivität des sympathischen Nervensystems und die Reaktion des Körpers auf Stress. Zwanzig Pharmaziestudenten im fünften Jahr erhielten täglich 200 Milligramm L-Theanin oder ein Placebo, beginnend eine Woche vor einem Praktikum in einer Apotheke oder einem Krankenhaus. Die Supplementierung wurde während der ersten zehn Tage des Praktikums fortgesetzt. Vor Beginn des Praktikums wurde die Alpha-Amylase-Aktivität im Speichel gemessen und das so genante State-Trait-Anxiety Inventory (Fragebogen für die Feststellung von Angst- und Unruhegefühlen) ausgefüllt. Bei den Studierenden der Placebogruppe wurde vor Beginn des Praktikums eine höhere Alpha-Amylase-Aktivität gemessen als bei den Studierenden der L-Theanin-Gruppe während des Praktikums. Das subjektive Stressempfinden war in der L-Theanin-Gruppe geringer als in der Placebo-Gruppe. Darüber hinaus wiesen die Studierenden beider Gruppen mit höherer Vorstufen-Alpha-Amylase Aktivität eine höhere Angstdisposition und weniger Schlafstunden auf. Nach Ansicht der Wissenschaftler kann L-Theanin die stressbedingte erhöhte Alpha-Amylase-Aktivität im Speichel deutlich reduzieren und damit die erste Stressreaktion vor einem Praktikum dämpfen.
Inositol
Inositol ist ein Zucker, der häufig zum Vitamin-B-Komplex gezählt wird. Es ein nicht-essenzielles Vitamin, das in allen Körpergeweben vorkommt und sogar in der die Nervenzellen umhüllenden Myelinschicht reichlich vorhanden ist. Herz und Gehirn weisen die höchsten Konzentrationen auf. Inositol ist unter anderem dafür bekannt, dass es für die ordnungsgemäße Nerven- und Gehirnfunktion wichtig ist. Inositol spielt eine Rolle in den Kommunikationswegen verschiedener Neurotransmitter, wie Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und Acetylcholin. Ein Mangel kann zu Störungen des Nervensystems und der Stimmung führen. Inositol in sehr hohen Dosen (12g/Tag) kann Panikstörungen lindern. In einer israelischen Studie erhielten 21 Patienten mit Panikstörungen, unabhängig davon, ob sie mit Platzangst (Agoraphobie) verbunden waren oder nicht, vier Wochen lang täglich 12 Gramm Inositol in einer doppelblinden, placebokontrollierten Crossover-Studie. Die Häufigkeit und der Schweregrad der Panikattacken sowie der Schweregrad der Platzangst gingen nach der Einnahme von Inositol deutlich stärker zurück als nach der Einnahme von Placebo. Allerdings gibt es bis heute widersprüchliche Studienergebnisse, wie eine aktuelle Untersuchung zeigte.
Quellen:
· Fedurco M et al.: Modulatory Effects of Eschscholzia californica Alkaloids on Recombinant GABAA Receptors; Biochemistry Research International 2015:617620, 2015.
· Ahmadi M et al.: Effect of Valerian in Preventing Neuropsychiatric Adverse Effects of Efavirenz in HIV-Positive Patients: A Pilot Randomized, Placebo-Controlled Clinical Trial; The Annals of Pharmacotherapy 51(6):457-464, 2017.
· Andreatini R et al.: Effect of valepotriates (valerian extract) in generalized anxiety disorder: a randomized placebo-controlled pilot study; Phytotherapy Research 16(7):650-654, 2002.
· Donath F et al.: Critical evaluation of the effect of valerian extract on sleep structure and sleep quality; Pharmacopsychiatry 33(2):47-53, 2000.
· Ziegler G et al.: Efficacy and tolerability of valerian extract LI 156 compared with oxazepam in the treatment of non-organic insomnia–a randomized, double-blind, comparative clinical study; European Journal of Medical Research 7(11):480-486, 2002.
· Taavoni S et al.: Effect of valerian on sleep quality in postmenopausal women: a randomized placebo-controlled clinical trial; Menopause 18(9):951-955, 2011.
· Monograph Valeriana officinalis; Alternative Medicine Review 9(4):438-441, 2004.
· Ngan A, Conduit R: A double-blind, placebo-controlled investigation of the effects of Passiflora incarnata (passionflower) herbal tea on subjective sleep quality; Phytotherapy Research 25(8):1153-1159, 2011.
· Appel K: Modulation of the γ-aminobutyric acid (GABA) system by Passiflora incarnata L.; Phytotherapy Research 25(6):838-843, 2011.
· Gibbert J et al.: Improvement of Stress Resistance and Quality of Life of Adults with Nervous Restlessness after Treatment with a Passion Flower Dry Extract; Complementary Medicine Research 24(2):83-89, 2017.
· Aslanargun P et al.: Passiflora incarnata Linneaus as an anxiolytic before spinal anesthesia; Journal of Anesthesia 26(1):39-44, 2012.
· Kaviani N et al.: The efficacy of passiflora incarnata linnaeus in reducing dental anxiety in patients undergoing periodontal treatment; Journal of Dentistry (Shiraz, Iran) 14(2):68-72, 2013.
· Dantas LP et al.: Effects of passiflora incarnata and midazolam for control of anxiety in patients undergoing dental extraction; Medicina Oral, Patología Oral y Cirugía Bucal 22(1):e95-e101, 2017.
· Franco L et al.: The sedative effects of hops (Humulus lupulus), a component of beer, on the activity/rest rhythm; Acta Physiologica Hungaria 99(2):133-139, 2012.
· Franco L et al.: The sedative effect of non-alcoholic beer in healthy female nurses; PLoS One 7(7):e37290, 2012.
· Füssel A, Wolf A, Brattström A: Effect of a fixed valerian-hop extract combination (Ze 91019) on sleep polygraphy in patients with non-organic insomnia: a pilot study; European Journal of Medical Research 5:385-390, 2000.
· Dimpfel W, Suter A: Sleep improving effects of a single dose administration of a valerian/hops fluid extract – a double blind, randomized, placebo-controlled sleep-EEG study in a parallel design using electrohypnograms; European Journal of Medical Research 13(5):200-204, 2008.
· Schmitz M, Jäckel M: Comparative study for assessing quality of life of patients with exogenous sleep disorders (temporary sleep onset and sleep interruption disorders) treated with a hops-valerian preparation and a benzodiazepine drug; Wiener Medische Wochenschrift 148(13):291-298, 1998.
· Maroo N, Hazra A, Das T: Efficacy and safety of a polyherbal sedative-hypnotic formulation NSF-3 in primary insomnia in comparison to zolpidem: a randomized controlled trial; Indian Journal of Pharmacology 45(1):34-39, 2013.
· Monograph: Gamma-Aminobutyric Acid (GABA); Alternative Medicine Review 12(3):274-279, 2007.
· Levy LM, Henkin RI: Brain gamma-aminobutyric acid levels are decreased in patients with phantageusia and phantosmia demonstrated by magnetic resonance spectroscopy; Journal of Computer Assisted Tomography 28(6):721-727, 2004.
· Xie M et al.: Gastroprotective effect of gamma-aminobutyric acid against ethanol-induced gastric mucosal injury; Chemico-Biological Interactions 272:125-134, 2017.
· Abdou AM et al.: Relaxation and immunity enhancement effects of gamma-aminobutyric acid (GABA) administration in humans; Biofactors 26(3):201-208, 2006.
· Yoto A et al.: Oral intake of γ-aminobutyric acid affects mood and activities of central nervous system during stressed condition induced by mental tasks; Amino Acids 43(3):1331-1337, 2012.
· Streeter CC et al.: Yoga Asana sessions increase brain GABA levels: a pilot study; Journal of Alternative and Complementary Medicine 13(4):419-426, 2007.
· Nakamura H et al.: Psychological stress-reducing effect of chocolate enriched with gamma-aminobutyric acid (GABA) in humans: assessment of stress using heart rate variability and salivary chromogranin A; International Journal of Food Sciences and Nutrition 60(Suppl 5):106-113, 2009.
· Monograph: L-Theanine; Alternative Medicine Review 10(2):136-138, 2005.
· Unno K et al.: Anti-stress effect of theanine on students during pharmacy practice: positive correlation among salivary α-amylase activity, trait anxiety and subjective stress; Pharmacology, Biochemistry and Behavior 111:128-135, 2013.
· Eby G, Halcomb WW: Elimination of cardiac arrhythmias using oral taurine with l-arginine with case histories: Hypothesis for nitric oxide stabilization of the sinus node; Medical Hypotheses 67(5):1200-1204, 2006.
· Ripps H, Shen W: Review: taurine: a “very essential” amino acid; Molecular Vision 18:2673-2686, 2012.
· Hrncic D et al: Sulfur – Containing Amino Acids Homocysteine And Taurine In Seizures: Current State Of The Art; Current Medicinal Chemistry, doi: 10.2174/0929867324666170609090613, 8 juni 2017 [Epub ahead of print].
· Kong WX et al.: Effects of taurine on rat behaviors in three anxiety models; Pharmacology Biochemistry and Behavior 83(2):271-276, 2006.
· Zhang CG, Kim SJ: Taurine induces anti-anxiety by activating strychnine-sensitive glycine receptor in vivo; Annals of Nutrition & Metabolism 51(4):379-386, 2007.
· Benjamin J et al.: Double-blind, placebo-controlled, crossover trial of inositol treatment for panic disorder; American Journal of Psychiatry 152(7):1084-1086, 1995.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.