Samstag, 21. September 2024

Achtsamkeit hemmt Schmerzen besser als gedacht

Achtsamkeit wirkt effektiv gegen Schmerzen (Foto: pixabay.com)


Gehirnscans zeigen, dass Achtsamkeit viel besser gegen Schmerzen wirkt als gedacht.

 

Schmerzen will man um jeden Preis vermeiden. Deshalb gibt es so viele verschiedene Schmerzmittel, aber es gibt auch andere Behandlungsansätze als Medikamente. Achtsamkeitsmeditation zum Beispiel scheint besonders gut zu helfen. Und der Placebo-Effekt spielt dabei keine Rolle, wie man immer dachte.

 

Diese Form der Meditation wird schon seit Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen zur Schmerzbekämpfung eingesetzt. Bislang wurde nur gezeigt, dass es wirkt, und zwar weil man eine Wirkung erwartet. Doch nun stellt sich heraus, dass Achtsamkeit auch über andere Gehirnmechanismen Schmerzen lindert. Wissenschaftler der Universität von Kalifornien verglichen eine Placebocreme, eine Scheinmeditation und Achtsamkeitsmeditation in einer Gruppe von Teilnehmern und untersuchten die Wirkung in einem Gehirnscanner.

Die Kraft des Geistes

Die Achtsamkeitsmeditation verringerte nicht nur die Schmerzintensität erheblich, sondern auch die mit Schmerzen und negativen Emotionen verbundene Gehirnaktivität nahm ab. Im Gegensatz dazu beeinflusste die Placebo-Creme nur die mit dem Placebo-Effekt verbundene Gehirnaktivität, ohne das eigentliche Schmerzerlebnis zu verändern.

„Der Geist ist unglaublich mächtig, und wir versuchen immer noch, zu verstehen, wie man diese Kraft für die Schmerzbehandlung nutzen kann“, sagt Professor Fadel Zeidan vom UC San Diego Sanford Institute for Empathy and Compassion. „Achtsamkeitsmeditation kann sich direkt auf die Schmerzerfahrung auswirken, indem sie den Schmerz vom Ich trennt und eine Beurteilung loslässt, und zwar ohne Medikamente, Kosten oder spezielle Geräte.“

Schmerzreiz durch Hitze

An der Studie nahmen 115 gesunde Teilnehmer teil, verteilt über zwei Forschungen. Sie wurden zufällig in Gruppen eingeteilt und erhielten vier Behandlungen: eine begleitete Achtsamkeitsmeditation, eine Scheinmeditation (nur tiefes Atmen), eine Placebocreme (Vaselin), von der sie glaubten, sie würde den Schmerz lindern, und eine Kontrollgruppe, die ein Hörbuch hörte. Die Wissenschaftler fügten den Teilnehmern einen schmerzhaften, aber harmlosen Hitzereiz auf der Rückseite ihres Beins zu und führten vor und nach der Behandlung Gehirnscans durch.

Zur Analyse der Gehirnaktivität der Teilnehmer verwendeten die Wissenschaftler eine Technik namens multivariate Musteranalyse (Multivariate Pattern Analysis, MVPA). Diese Technik nutzt maschinelles Lernen, um die komplexen neuronalen Mechanismen des Schmerzes zu entschlüsseln, einschließlich der Auswirkungen des Hitzereizes, negativer Emotionen und des Placebo-Effektes. Auf diese Weise konnten sie feststellen, ob die Achtsamkeitsmeditation und das Placebo ähnliche oder unterschiedliche Gehirnprozesse aktivieren.

Direkte Wirkung auf den Schmerz

Obwohl die Schmerzen durch die Placebocreme und die Scheinmeditation leicht reduziert wurden, war die Achtsamkeitsmeditation wesentlich wirksamer. Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass Achtsamkeitsmeditation die Synchronisation zwischen Gehirnregionen, die an Selbstbeobachtung, Selbstbewusstsein und Emotionsregulation beteiligt sind, verringert. Diese Bereiche bilden zusammen das neuronale Schmerzsignal (NPS), ein Hirnaktivitätsmuster, das bei verschiedenen Formen von Schmerzen auftritt. Die Placebo-Creme und die Scheinmeditation führten im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht zu einer Veränderung des neuronalen Schmerzsignals, sondern aktivierten ganz andere Gehirnmechanismen.

„Lange Zeit wurde angenommen, dass sich der Placebo-Effekt mit den Gehirnmechanismen aktiver Behandlungen überschneidet, aber diese Ergebnisse zeigen, dass dies bei Schmerzen möglicherweise nicht zutrifft“, so Zeidan. „Stattdessen sind diese beiden Gehirnreaktionen völlig unterschiedlich, was bestätigt, dass Achtsamkeitsmeditation eine direkte Behandlungsmöglichkeit bei chronischen Schmerzen ist, unabhängig vom Placebo-Effekt.“

Besser als Placebo

In der modernen Medizin gilt eine Behandlung als wirksam, wenn sie besser wirkt als ein Placebo. Da die Achtsamkeitsmeditation dieser Studie zufolge wirksamer ist als ein Placebo und andere neurobiologische Prozesse aktiviert, hat dies wichtige Auswirkungen auf die Entwicklung neuer Behandlungen für chronische Schmerzen. Es sind jedoch weitere Forschungsarbeiten nötig, um die Auswirkungen bei Menschen mit chronischen Schmerzen zu bestätigen.

Langfristig hoffen die Wissenschaftler auf die Entwicklung wirksamerer Schmerzbehandlungen, die die Kraft der Achtsamkeit zur Schmerzbehandlung nutzen. „Millionen von Menschen leben jeden Tag mit chronischen Schmerzen. Möglicherweise können sie mehr zur Linderung ihrer Schmerzen tun, als wir bisher dachten“, so Zeidan abschließend. „Wir sind daher sehr daran interessiert, die Neurobiologie der Achtsamkeit weiter zu erforschen und herauszufinden, wie wir diese uralte Methode bei Menschen mit chronischen Schmerzen einsetzen können.“

Was ist Achtsamkeit?

Bei der Achtsamkeit konzentriert sich Ihre Aufmerksamkeit auf das, was um Sie herum in diesem Moment geschieht. Es geht darum, sich der gegenwärtigen Erfahrung voll und ganz bewusst zu sein und eine offene und behutsame Aufmerksamkeit gegenüber allem, was sich zeigt, zu haben, positiv wie negativ.

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