Montag, 16. Dezember 2024

Fruchtzucker lässt Tumore schneller wachsen



Fruchtzucker ist in vielen Lebensmitteln verarbeitet. Neue Studien zeigen, dass Fruchtzucker das Tumorwachstum bei bestimmten Krebsarten anregt.

 

Wir nehmen täglich viel Fruchtzucker zu uns, denn seit den 1970er Jahren wird die Süße in Form von Glukose-Fruktose-Sirup immer häufiger Softdrinks und ultraverarbeiteten Lebensmitteln zugesetzt. Wie sich herausstellt, sind wir nicht die Einzigen, die dieses billige Süßungsmittel mögen. Auch Tumore lieben Fruktose, wenn auch nur indirekt. Und nun weiß man auch, warum das so ist.

 

Die meisten Zuckerarten bestehen aus Fruktose oder Glukose oder einer Kombination aus beiden. Haushaltszucker beispielsweise besteht zur Hälfte aus Fruktose und zur Hälfte aus Glukose. Zwischen diesen beiden Zuckern gibt es keinen Unterschied im Nährwert. Ein Gramm Fruktose enthält also genauso viele Kalorien wie ein Gramm Glukose, das heißt 4 Kalorien. Auch die Summenformel (C₆H₁₂O₆) ist die gleiche. Aber es gibt tatsächlich große Unterschiede zwischen Fruktose und Glukose. Fruktose ist doppelt so süß wie Glukose. Daher wird weniger davon benötigt, um ein Produkt zu süßen. Außerdem wird Fruktose vom Körper langsamer verarbeitet.

Wichtige Entdeckung

Neue Studienergebnisse der Washington University in St. Louis, die in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass Fruktose bei Tieren das Tumorwachstum bei Melanomen (Hautkrebs), Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs anregt. Der leitende Wissenschaftler Gary Patti erklärt den Mechanismus dahinter. Denn im Allgemeinen ernähren sich Tumore nicht direkt von Fruchtzucker. Aber die Leber hilft den Krebszellen, indem sie die Fruktose umwandelt, woraufhin nützliche Nährstoffe für die Krebszellen in Form von Lipiden (Fetten) entstehen. Diese wichtige Entdeckung ebnet den Weg für neue Behandlungsmethoden für eine Vielzahl von Krebsarten.

„Es gibt nur wenige Zelltypen im Körper, die über die biochemische „Ausrüstung“ zur Verarbeitung von Fruktose verfügen, und die Leber ist einer davon“, erklärt Patti. „Die Leber verfügt über zwei Enzyme, KHK-C und Aldolase B, die Phosphat an Fruktose binden und diese dann in zwei Teile spalten können. Dieser biochemische Prozess ist notwendig, um Fruktose in andere Moleküle, wie zum Beispiel Lipide, umzuwandeln.“

Unterschiedlicher Einfluss auf Tumore

Aber warum wirken dann Fruktose und Glukose beim Tumorwachstum so unterschiedlich? „Das ist doch faszinierend, oder? Zwei Zuckerarten mit exakt der gleichen chemischen Zusammensetzung haben völlig unterschiedliche Wirkungen. Es geht darum, wie die Atome in der Fruktose angeordnet sind, was sie einzigartig macht. Für uns mag diese strukturelle Veränderung klein erscheinen, aber für die Zellen macht sie einen großen Unterschied. In der Biochemie ist dies übrigens ein immer wiederkehrendes Phänomen: Eine kleine strukturelle Veränderung kann eine völlig andere zelluläre Reaktion hervorrufen.“

Patti fährt fort: „Fruktose wurde erst in den letzten Jahrzehnten in großem Umfang als Süßungsmittel in Lebensmitteln eingesetzt. Davor kam der Mensch nur in begrenztem Umfang mit Fruktose in Obst und Gemüse in Berührung, wo sie von Natur aus vorkommt. Die einzigartige zelluläre Reaktion auf Fruktose hat sich in diesem natürlichen Kontext entwickelt - möglicherweise als Signal für Jäger und Sammler, in Zeiten des Überflusses bestimmte Lebensmittel zu sich zu nehmen. Jetzt aber nehmen wir mehr fruktosereichen Maissirup zu uns, als uns gut tut, und es gibt keine Hungerperioden mehr. Dieselbe uralte Reaktion scheint nun tatsächlich der Gesundheit von Menschen mit westlicher Ernährung zu schaden.“

Verschiedene Mechanismen

Fruktose kann Krebs auf zwei Arten gedeihen lassen, erklärt der Wissenschaftler. „Der erste Weg ist, dass Krebszellen Fruktose direkt aufnehmen und als Brennstoff verwenden. Dazu brauchen die Krebszellen allerdings die richtige biochemische Ausrüstung, nämlich die Enzyme KHK-C und Aldolase B. Der zweite Weg ist indirekt: Die Leber wandelt Fruktose in Lipide um, die dann zum Tumor transportiert werden. Diese beiden Mechanismen schließen sich nicht gegenseitig aus und können auch gleichzeitig aktiv sein. Der erste Mechanismus erfordert die Produktion spezifischer Enzyme. Der zweite Mechanismus scheint weitaus verbreiteter zu sein. Ein breites Spektrum von Krebsarten erhält auf diese Weise seine Energie für das weitere Wachstum. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus unserer Studie ist, dass Fruktose - in welcher Form auch immer - schädlich ist, wenn man Krebs hat. In unseren Tierversuchen förderte sie das Fortschreiten der Krankheit, und dies gilt wahrscheinlich für viele verschiedene Krebsarten.“

In den letzten Jahrzehnten ist der Fruktosekonsum stark angestiegen, während gleichzeitig die Häufigkeit bestimmter Krebsarten bei Menschen unter 50 Jahren zugenommen hat. Die große Frage ist, ob Fruktose nur Tumorwachstum fördert oder auch Tumore entstehen lassen kann. Was meint Patti zu dieser Frage? „Unsere Studie hat nur untersucht, ob Fruktose das Wachstum bestehender Tumore anregt, nicht aber, ob sie die eigentliche Ursache für Krebs ist. Aber das ist eine sehr interessante Frage, die noch weiter erforscht werden muss. Epidemiologisch gesehen stimmen die Zeiträume des erhöhten Fruktosekonsums und der Anstieg der Krebserkrankungen bei jungen Menschen in etwa überein. Das heißt aber nicht, dass das eine das andere verursacht hat. Wir brauchen mehr Daten, um dies besser zu verstehen.“

Glukose und Fruktose

Es scheint, dass Glukose weniger schädlich ist als Fruktose, wenn es um das Wachstum von Tumoren geht, aber so strikt kann man das nicht behaupten. „Die Antwort ist komplexer als man denkt. Die Art und Weise, wie Fruktose und Glukose im Körper verarbeitet werden, ist sehr unterschiedlich. Wie die meisten Menschen wissen, wird der Glukosegehalt im Blut durch die Ausschüttung des Hormons Insulin reguliert. Fruktose hingegen kommt kaum im Blut vor und wird nicht reguliert. Außerdem wirkt sich Fruktose aus der Nahrung darauf aus, wie die Leber Glukose verstoffwechselt. Einfach ausgedrückt: Ein Übermaß an Fruktose macht die Glukose aus der Nahrung weniger gesund. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass unser Körper Glukose braucht, um zu funktionieren, während dies bei Fruktose nicht der Fall ist.“

Patti fährt fort: „Wir haben herausgefunden, dass die von der Leber produzierten Fette Tumore ernähren und ihr Wachstum anregen. Wir haben uns auf diesen Prozess in Verbindung mit hohem Fruktosekonsum konzentriert, aber ein ähnlicher Mechanismus kann auftreten, wenn die Leber aufgrund anderer Faktoren Lipide produziert. Übermäßiger Glukosekonsum kann dasselbe bewirken, ebenso wie andere Diäten, die die Leber zur Lipidproduktion anregen. Viele dieser Diäten werden auch mit ernsthaften Erkrankungen wie Fettleber und Fettleibigkeit in Verbindung gebracht.“

Die Grenzen der Petrischale

„Es ist faszinierend, dass Fruktose eine so drastische Wirkung auf das Tumorwachstum bei Tieren hat, während sie in einer Petrischale keinerlei Auswirkungen auf die Zellteilung von Tumorzellen hatte. Dies schien zunächst widersprüchlich, bis wir erkannten, dass mehrere Gewebe an diesem Prozess beteiligt sind. Dies zeigt die Grenzen der Untersuchung des Stoffwechsels von isolierten Krebszellen im Labor auf. Man erhält erst dann ein vollständiges Bild, wenn man alle Ebenen der Stoffwechselinteraktion zwischen Tumoren und gesundem Gewebe berücksichtigt. Es ist komplex, aber ich denke, dass wir hier ein äußerst spannendes und weitgehend unerforschtes biologisches Feld vor uns haben“, schließt Patti.

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